Mit einer Investition von 200 000 Franken rund 12 000 Franken verloren. Das ist die Bilanz, die ein frustrierter Kunde – nennen wir ihn Jack Waldmeier – der St. Galler Kantonalbank nach fünf Jahren zieht. Der Vertreter der Bank hält dagegen. Der Fonds habe jedes Jahr Erträge ausgeschüttet. Unter dem Strich resultiere deshalb nur ein Verlust von rund 500 Franken.
Das schönt das Bild, hellt die Laune Waldmeiers aber nicht wirklich auf. Tatsache bleibt, dass mit der Anlage über fünf Jahre keine Wertsteigerung erzielt worden ist (siehe Kasten). Der Kunde hätte das Geld genauso gut unter die Matratze legen können. Nur hätten dann Bank und Fondsanbieter nichts verdient.
Die St. Galler Kantonalbank vertreibt den Fonds unter dem Namen Multi Defendo seit Oktober 2010 (ISIN: CH0104955247). Die Fondsleitung liegt bei der GAM Investment Management Schweiz AG, einer auf Entwicklung und Vertrieb von Anlageprodukten spezialisierten Finanzgesellschaft mit Sitz in Zürich. Bei dem Produkt handelt es sich um einen sogenannten Dachfonds. Er investiert das Anlagevermögen nicht direkt, sondern über eine Reihe anderer Fonds. Hier liegt das eigentliche Problem. Dachfonds sind immer teuer. Nicht nur GAM und die Kantonalbank wollen am Vertrieb des Multi Defendo Geld verdienen, sondern jeder einzelne Fonds, der an diesem Konstrukt beteiligt ist. Das treibt die Gesamtkosten in die Höhe.
Kosten von über 2 Prozent pro Jahr
«Bei Kosten von 0,5 Prozent pro Jahr wäre dieses Produkt super», sagt ein unabhängiger Vermögensberater. Der Multi Defendo kostet aber mehr als viermal so viel, nämlich 2,08 Prozent. Im Falle Waldmeiers, der 200 000 Franken in dieses Produkt gesteckt hat, sind das Kosten von mehr als 4000 Franken pro Jahr. Das bedeutet: Der Multi Defendo muss eine Wertsteigerung von gut 2 Prozent erzielen, um nur schon diese Kosten auszugleichen. Verdient hat der Anleger damit noch keinen Rappen.
Der Dachfonds hat einen defensiven Charakter. Mehr als 40 Prozent des Anlagevermögens sind in Obligationen investiert, nur rund 10 Prozent in Aktien. Dazu kommen unter anderem Anlagen in Immobilien, Rohstoffen und Fremdwährungen. Das Produkt ist dadurch eher risikoarm. Das bedeutet zwar Sicherheit. Doch die Fondsleitung ist damit kaum in der Lage, eine Rendite zu erzielen, die mehr als nur die Kosten deckt. Entsprechend hat der Multi Defendo das selbst gesteckte Ziel – «eine stetige Kapitalwertsteigerung» – nicht erreicht.
Im Qualitätsvergleich nur 1 von 5 Sternen
Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank, widerspricht: «In den negativen Jahren 2011 und 2015 erzielten viele Strategiefonds negative Renditen, die ebenfalls versuchen, das Kapital zu erhalten.» In den drei Jahren dazwischen sei das Ziel sehr wohl erreicht worden.
Drei gute, zwei schlechte Jahre: Seit der Lancierung weist der Multi Defendo unter Berücksichtigung aller Kosten und Ausschüttungen eine Rendite von 0,15 Prozent aus – für die Anleger praktisch ein Nullsummenspiel. Entsprechend zeichnet das Finanzportal Morningstar.ch den Dachfonds nur mit einem Stern aus. Er gehört damit zu den schlechtesten einer Vergleichsgruppe.
Aktuell ist das Marktumfeld schwieriger als in den vergangenen fünf Jahren. Es dürfte damit für die St. Galler noch schwieriger werden, eine Rendite zu erzielen, welche die Kosten des Dachfonds übertrifft. Anlagechef Stucki sagt: «Wir sehen das garstige Umfeld als Chance.» Dank der Möglichkeit, in alternative Anlageklassen zu investieren, sollte auch in schwierigen Märkten eine positive Rendite erwirtschaftet werden, so Stucki. Die St. Galler Kantonalbank empfiehlt ihren Kunden den Multi Defendo weiterhin zum Kauf.
Fondskosten schmälern die Rendite
Viele Sparer lassen sich durch hohe Zinsen oder attraktive Renditeversprechen blenden. Nur wenige beachten bei ihren Anlageentscheiden die Kosten. Hohe Kosten drücken aber die Gesamtrendite eines Produktes.
Deshalb sollten Anleger vor einem Kaufentscheid die Kostenseite des Produktes studieren. Angaben dazu bieten das Faktenblatt oder der Fondsprospekt. Man findet sie, indem man im Internet die ISIN- oder Valorennummer eingibt – zum Beispiel über die Adresse Morningstar.ch. Oder man verlangt die entsprechenden Unterlagen von der Bank.
Doch auch diese Papiere haben ihre Tücken. Das Faktenblatt des Multi Defendo der St. Galler Kantonalbank (siehe Haupttext) etwa weist eine «Total Fee» von 1,1 Prozent aus. Diese vermeintliche Gesamtgebühr entspricht aber keineswegs den Gesamtkosten des Fonds. Massgebend ist die «Total Expense Ratio» (TER). Sie beträgt beim Multi Defendo 2,08 Prozent der Anlagesumme pro Jahr.
Selbst die TER enthält nicht immer alle Kosten. Das Faktenblatt des Multi Defendo führt noch Ausgabe- und Rücknahmekommissionen an, die beim Kauf beziehungsweise Verkauf der Fondsanteile anfallen können. Die St. Galler Kantonalbank verzichtet zwar auf diese Kommissionen. Am besten lässt man sich vor dem Kauf schriftlich bestätigen, welche Kommissionen anfallen.