Die Wassiljewski-Insel war schon bei der Gründung von St. Petersburg im 18. Jahrhundert wichtig als Hafen, Werft- und Universitätsstandort. Zu Sowjetzeiten war das Westende wegen der Nähe zum Meer ein prestigeträchtiger Wohnbezirk. Seit dem Bau der Stadtautobahn und der Eröffnung eines Fährterminals hat die «Finnische Bucht» aber viel an Glanz verloren.
Julia Muzykantova lebt mit Tochter Sofia (16) und Sohn Savva (14) auf der Insel. Sie wuchs hier auf und hat den Bezirk nie verlassen. Nach der Scheidung vor zwölf Jahren wohnte sie bei den Eltern. Wie viele Russen ist die Deutschlehrerin heute Wohnungsbesitzerin. Ihre 50 Quadratmeter grosse Zweizimmerwohnung kaufte sie mit Hilfe des staatlichen Mutterschaftskapitals. Dieses beträgt einmalig 7500 Franken pro Kind. Julia Muzykantova unterrichtet am Rimsky-Korsakow-Konservatorium, ihre Kinder besuchen die Mittelschule.
Finanzielle Situation
- Haushaltseinkommen: 1200 Franken pro Monat (Lohn plus Alimente)
- Kosten fürs Wohnen: 120 Franken für die Nebenkosten
- Kosten für die Krankenversicherung: Die staatliche Versicherung ist kostenlos.
- Steuern: 900 Franken pro Jahr
Sind Sie mit Ihrer Wohnsituation zufrieden?
Grundsätzlich schon – obwohl sich die Kinder ein Zimmer teilen müssen.
Was gibt es heute zum Abendessen?
Wir essen Pelmeny, auch «russische Ravioli» genannt. Das sind mit Fleisch gefüllte Teigtaschen. Dazu gibt es einen Salat.
Was machen Sie beruflich?
Ich unterrichte in einem Teilzeitpensum Deutsch. Früher arbeitete ich während der Semesterferien zusätzlich als Stadtführerin, aber wegen Corona verlor ich diesen Job. Das war eine wichtige Einnahmequelle.
Welche Verkehrsmittel benützen Sie?
In unserem Bezirk fahre ich Velo, für Fahrten ans Konservatorium nehme ich die Metro.
Wie lange arbeiten Sie?
Ich unterrichte 18 Stunden pro Woche.
Wie lange ist Ihr Arbeitsweg?
Mit dem Velo brauche ich 35 Minuten für die Fahrt zur Arbeit.
Wo haben Sie Ihre letzten Ferien verbracht?
Wir waren mit Freunden in einem Ferienhaus im nordwestrussischen Karelien.
Sparen Sie Geld?
Nein.
Welchen Luxus leisten Sie sich?
Hie und da einen Theater-, Konzert- und Kinobesuch oder ein Essen im Restaurant mit Freunden. Als ich meinen Nebenjob noch hatte, gingen wir reisen. Das ist jetzt nicht mehr möglich.
Wie hat Corona Ihren Alltag verändert?
Die ganze Familie ist erkrankt, auch meine Eltern und die Grossmutter. Meine Eltern mussten sogar ins Spital. Ich und die Kinder verloren den Geschmacks- und Geruchssinn. Während des Lockdowns wurde ich zur Rund-um-die-Uhr-Mutter. Heute arbeite ich oft von zu Hause aus. Die Hündin Martha war für uns ein Lichtblick in dieser Zeit. Wir kauften sie vor dem Lockdown.
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