Comparis & Co. im Dienst der Krankenkassen
Die Prämienvergleichsdienste Comparis und Bonus sind nicht neutral: Sie lassen sich von den Krankenkassen dafür bezahlen, dass sie die Kunden sortieren.
Inhalt
saldo 18/2012
03.11.2012
Letzte Aktualisierung:
05.11.2012
Zeynep Ersan Berdoz, Thomas Lattmann
Bei der obligatorischen Grundversicherung der Krankenkassen sind die Leistungen für alle Kunden gleich. Nur die Preise sind verschieden.
Kein Wunder, suchen clevere Kunden die günstigste Kasse – besonders, wenn die bisherige Kasse aufschlägt. Mit einem Wechsel lassen sich jedes Jahr Hunderte von Franken sparen. Für Familien liegt das Sparpotenzial gar im vierstelligen Bereich.
Wichtig: Die Kassen dürfen niemanden ablehnen. Im Krankenversic...
Bei der obligatorischen Grundversicherung der Krankenkassen sind die Leistungen für alle Kunden gleich. Nur die Preise sind verschieden.
Kein Wunder, suchen clevere Kunden die günstigste Kasse – besonders, wenn die bisherige Kasse aufschlägt. Mit einem Wechsel lassen sich jedes Jahr Hunderte von Franken sparen. Für Familien liegt das Sparpotenzial gar im vierstelligen Bereich.
Wichtig: Die Kassen dürfen niemanden ablehnen. Im Krankenversicherungsgesetz heisst es unmissverständlich: «Die Versicherer müssen jede versicherungspflichtige Person aufnehmen.» Die Krankenkassen bevorzugen aber junge und gesunde Kunden. Diese verursachen in der Regel geringere Kosten.
Nur der Prämienrechner des Bundes liefert neutrale Resultate
Bei der Jagd nach diesen «guten» Risiken sind die privaten Prämienvergleichsrechner Comparis und Bonus die bezahlten Verbündeten der Krankenkassen. Im Gegensatz zum Prämienrechner des Bundes, der neutral ist und bei einem Prämienvergleich keine Kasse bevorzugt. Er ist unter Priminfo.ch abrufbar.
Wer wissen will, welche Kasse ihn am günstigsten versichert, kann im Internet bei Priminfo.ch, Comparis.ch oder Bonus.ch seine Daten eingeben. Darauf sollte er die Liste der Prämien erhalten und daraus ersehen können, welche Kasse an seinem Wohnort am günstigsten ist.
Die Vergleichsdienste filtern Anfragen im Auftrag der Kassen aus
Die welsche Schwesterzeitschrift von saldo, «Bon à Savoir», macht die Probe aufs Exempel. Und zwar mit den Daten von Alain Berset, dem für die Krankenkassen zuständigen Bundesrat. Die Eingabedaten für den Gesundheitsminister lauten: Wohnort 1782 Belfaux FR, Geburtsjahr 1972, ohne Unfalldeckung. Gefragt wird nach den Prämien für die Minimalfranchise von 300 Franken, dann für die Maximalfranchise von 2500 Franken. Angefordert werden sämtliche Versicherungsmodelle – also inklusive Hausarzt- und HMO-Modelle.
Theoretisch sollten bei den drei Rechnern die gleichen Tarife in der gleichen Rangliste resultieren. Faktisch ist das nicht so.
Vergleicht man die 15 erstplatzierten Krankenversicherungen von Priminfo mit den Vorschlägen von Comparis, gibt es wenig Übereinstimmung: Bei der 300-Franken-Franchise tauchen bei Comparis nur gerade zwei gleiche Angebote auf: nämlich CSS und KPT. Mit der Franchise von 2500 Franken liegt die Übereinstimmung bei 5 von 15 Vorschlägen. Etwas besser schneidet Bonus ab: Da finden sich bei der Franchise von 300 Franken zehn Übereinstimmungen, bei der Franchise 2500 Franken sogar zwölf.
Grund für die unterschiedlichen Listen: Comparis und Bonus bevorzugen in der Standardansicht diejenigen Kassen, mit denen sie einen Vertrag eingegangen sind. Um wirklich alle Angebote zu sichten, müsste der Benutzer bei Comparis «Vollansicht» oder bei Bonus «Gesamtansicht» anwählen. Das dürfte aber kaum jemand tun.
Im Auftrag ihrer Krankenkassenkunden filtern die zwei Vergleichsplattformen die Anfragen hinsichtlich verschiedener Kriterien: Alter, Region, Versicherungsmodell und Franchise. So erhalten Personen, die eine Franchise von 300 Franken wünschen, automatisch weniger Angebote. Denn die tiefe Franchise lässt auf Leute schliessen, die oft krank sind. Dieses Verfahren dient den Kassen dazu, junge, gesunde und somit kurzfristig einträgliche Versicherte zu gewinnen.
Bis zu 100 Franken Vergütung für eine Offertanfrage
Comparis und Bonus stellen den Kassen die Steuerungsmöglichkeiten nicht gratis zur Verfügung. saldo weiss aus mehreren verlässlichen Quellen, dass bei Comparis die Vergütungen bis 45 Franken pro Anfrage (Grundversicherung) betragen können. Zudem verlangt Comparis von den Kassen für jede Zusatzoption zum Aussortieren schlechter Risiken 5 bis 10 Franken zusätzlich. Interessiert sich jemand neben der Grundversicherung für eine Zusatzversicherung, können die Vergütungen der Kassen an Comparis gesamthaft 100 Franken pro Offerte übersteigen.
Comparis betont, dass auch in der reduzierten Standardansicht jeweils das Modell mit der tiefsten Prämie angezeigt wird. Das stimmt: Am Beispiel von Alain Berset steht bei 300 Franken Franchise das Hausarztmodell der CSS zuoberst, bei 2500 Franken jenes der Assura. Allerdings ist es in beiden Fällen nicht möglich, direkt eine Offerte anzufordern, weil der zugehörige Button deaktiviert ist.
Grund: Die Assura hat mit Comparis keinen Vertrag. Etwas anders sieht es bei der CSS aus. Klickt man da auf den deaktivierten Knopf, erscheint die Meldung: «CSS nimmt für Hausarzt (GPV Medix Bern) von Comparis keine Offertanfragen mit Ihren Angaben entgegen.» Konkret: Anfragen mit der Minimalfranchise sind unerwünscht – im Gegensatz zu solchen mit der höchsten Franchise. Comparis-Sprecher Felix Schneuwly stellt sich vor die Krankenkassen: «Sie müssen nicht sämtlichen Nutzern von Comparis.ch eine Offertanfrage ermöglichen.»
Das Portal Bonus.ch zeigt bei Eingabe der Daten von Alain Berset und der Franchise von 300 Franken zuoberst die fünf günstigsten Angebote, für die man eine Offerte einholen kann. Aber erst bei der auf Rang 13 aufgelisteten Kasse lässt sich eine direkte Offerte einholen. Klickt man auf eines der zwölf günstigeren Modelle, erscheint die Meldung: «Die von Ihnen gewählte Krankenkasse akzeptiert keine Offertenanfragen via Bonus.ch mit den von Ihnen eingegeben Parametern (Franchise, Geburtsdatum, Versicherungsmodell).»
Gibt man die maximale Franchise von 2500 Franken ein, bieten fast alle Kassen auf Bonus.ch eine Offerte an. Ausnahme ist die Groupe Mutuel. Patrick Ducret, Direktor von Bonus, erklärt den Grund dafür: Groupe Mutuel zahle nicht dafür. «Das ist nicht unser Fehler.»
Selektion nach Risiko nicht transparent gemacht
Das zeigt: Comparis und Bonus stellen den Krankenkassen gegen Bezahlung Werkzeuge zur Risikoselektion zur Verfügung und leiten nur erwünschte Offertanfragen an die Krankenkassen weiter. Das wird aber gegenüber den Anfragenden nicht klargestellt.
So kommen sie zu einer Offerte
Die neutrale und von den Krankenkassen unabhängige Plattform Priminfo.ch bietet ungefilterte Informationen und Dienstleistungen. Dort gibt man die eigenen Daten ein. Daraufhin sind die Prämien aller Versicherungen ersichtlich: Zuoberst die günstigste, zuunterst die teuerste. Anschliessend genügt ein Klick auf den Button rechts («Website»), um auf die Homepage der gewünschten Kasse zu kommen. Dort muss man seine Angaben für eine Offerte erneut eintippen.