Die Kohlendioxid-Emissionen sind 2015 in der Schweiz im Vergleich zum Vorjahr um 4,3 Prozent zurückgegangen. So steht es in der CO2-Statistik des Bundesamts für Umwelt.
Doch das ist kein Grund für Optimismus. Denn im Gegensatz zu früher tanken heute ausländische Automobilisten kaum mehr in der Schweiz. Darum ist die Statistik ungenau: Sie errechnete nämlich den CO2-Ausstoss in der Schweiz gestützt auf die verkauften Treibstoffmengen. Die Statistik berücksichtigte nicht, dass der Treibstoff der Tanktouristen nicht in der Schweiz, sondern im Ausland Kohlendioxid produzierte.
Konkret: Gemäss Statistik war der CO2-Ausstoss aus Benzin- und Dieselverbrauch in der Schweiz im Jahr 2008 mit 17,35 Millionen Tonnen am höchsten. Seither sei er kontinuierlich auf 16,07 Millionen Tonnen im letzten Jahr gefallen (siehe Grafik unten rechts).
Der inländische Treibstoffverbrauch ist gestiegen
Nur: Klammert man den Anteil des Tanktourismus aus, ist der im Inland produzierte CO2-Ausstoss heute höher als 2008. Diesen Schluss legt eine von der Erdölvereinigung in Auftrag gegebene Untersuchung nahe.
Die Studie beziffert, wie sich der Tanktourismus als Folge der Frankenstärke entwickelt hat. Sie analysiert die Absatzentwicklung von Tankstellen in Abhängigkeit zur Grenznähe. Als Basis dienen die Verkaufszahlen von fünf wichtigen Erdölges ellschaften, die einen grossen Teil des Markts abdecken. Die Resultate der Stichprobe werden auf den Gesamtabsatz hochgerechnet.
Demnach verkauften im letzten Jahr die Tankstellen in der Schweiz im Vergleich zu 2008 insgesamt 625 Millionen Liter weniger Benzin und Diesel. Im Jahr 2008 gingen rund 8,6 Prozent des Schweizer Treibstoffabsatzes auf das Konto von Autofahrern aus dem Ausland.
Die Gesamtenergiestatistik des Bundes weist von 2008 bis 2015 aber nur einen Rückgang des Treibstoffabsatzes um 7,7 Prozent aus. Das heisst: Unter dem Strich ist der inländische Treibstoffverbrauch von 2008 bis 2015 gestiegen. Und entgegen der offiziellen Statistik hat somit auch der CO2-Ausstoss zugenommen.
Regine Röthlisberger vom Bundesamt für Umwelt bestätigt, dass der schrumpfende Tanktourismus am Rückgang des CO2-Ausstosses einen grossen Anteil hatte. Die verringerten Emissionen allein darauf zurückzuführen, greife aber zu kurz. Ein Teil der Reduktion rühre auch von den verbrauchsärmeren Autos her, die weniger CO2 ausstossen würden.
Zahl der Motorfahrzeuge stieg seit 2008 um 12 Prozent
Allerdings: Der geringere CO2-Ausstoss von Neuwagen verpufft gleich wieder, weil auch die Zahl der Autos ständig zunimmt. 5,89 Millionen Motorfahrzeuge waren im letzten Jahr in der Schweiz registriert – 12,2 Prozent mehr als im Jahr 2008 (siehe Tabelle im PDF).
Der WWF-Klimaspezialist Philip Gehri fordert Massnahmen. Der Hebel sollte vor allem bei den Personenwagen angesetzt werden. Sie seien für 21 Prozent der Klimagase verantwortlich. Der WWF verlangt eine leistungsabhängige Verkehrsabgabe für Personenwagen (ähnlich wie beim Schwerverkehr), strengere Effizienzvorschriften für Neuwagen sowie mehr Autos mit Elektromotor.
Treibstoffverbrauch sinkt nur scheinbar
Der Treibstoffverbrauch (Benzin und Diesel) sank von 2008 bis 2015 um 7,7 %. Aber: Der Anteil des Tanktourismus sank im gleichen Zeitraum von 8,6 auf praktisch 0 %. Sprich: Der inländische Treibstoffverbrauch ist real um rund 0,9 Prozent gestiegen – und entsprechend die CO2-Emissionen.
Zwischenziel verfehlt
Klimaabkommen. Die Schweiz muss bis 2020 den Ausstoss klimaschädlicher Treibhausgase gegenüber 1990 um 20 Prozent senken. Dazu hat sie sich in Kyoto verpflichtet. Die Vorgabe für den Sektor Verkehr für 2015 lautet: Der Treibhausgasausstoss von 1990 soll nicht überschritten werden. Schon jetzt ist absehbar, dass dieses Zwischenziel verfehlt wird.
Wichtigste Massnahme im Strassenverkehr sind die 2012 eingeführten CO2-Emissionsvorschriften für neue Personenwagen. Bis 2015 mussten die Schweizer Importeure die CO2-Emissionen von neuen Autos im Durchschnitt auf
130 Gramm pro Kilometer senken. Sonst müssen sie Bussen bezahlen. Die Zielvorgabe für 2020 beträgt 95 g/km.
CO2-Emissionen aus Benzin und Diesel
Laut Statistik sinken die CO2-Emissionen seit 2008. Aber: Klammert man den Anteil der Tanktouristen aus (2008 noch 8,6 % des Treibstoffs), ist der im Inland produzierte CO2-Ausstoss heute wohl höher als 2008.