Verstopfte Blutgefässe sind eine der häufigsten Ursachen von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Einige Ärzte setzen auf die Chelattherapie, um die Arterien frei zu machen. Patienten bekommen dabei eine Infusion mit einer Chemikalie (dem sogenannten Chelatbildner), die Kalzium binden kann. Dieser Mineralstoff ist neben Cholesterin einer der Hauptbestandteile von Gefässablagerungen. Der Körper soll das Kalzium dann über die Niere ausscheiden.
Die Therapie wurde ursprünglich gegen akute Schwermetallvergiftungen entwickelt. Und sie ist teuer: Für eine Behandlung sind 10 bis 20 Sitzungen nötig. So kommt man auf Kosten von 2000 bis 3000 Franken. Die Grundversicherung zahlt das nicht.
«Hervorragend gegen verkalkte Arterien»
Mehrere Ärzte werben mit der Chelattherapie. So behauptet etwa der Hausarzt Matthias Kessler aus Luzern, die Methode wirke «hervorragend» gegen verkalkte Arterien. Auch die Zürcher Beautyclinic bietet das Verfahren an. Die Infusion bilde die «blockierenden Ablagerungen» zurück. Der Zürcher Allgemeinarzt Manfred Hösle schreibt auf seiner Website, dass man bei Verkalkung «äusserst gute Resultate» erwarten könne. Sogar Herzoperationen liessen sich vermeiden.
Experten dagegen halten wenig von der Chelattherapie. Johann Steurer vom Horten-Zentrum für praxisorientierte Forschung der Universität Zürich kennt «keine Belege, die solche Versprechungen unterstützen». Herzspezialist Thomas Lüscher, Klinikdirektor Kardiologie am Universitätsspital Zürich, spricht gar von «Quacksalberei». Das in Blutgefässen eingelagerte Kalzium sei dort so fest an Eiweisse gebunden, dass es nicht ins Blut abgegeben werden könne. Thomas Lüscher hält deshalb fest: «Die Idee, Kalzium aus den Arterien zu schwemmen, scheint deshalb reichlich naiv.»
Im Fachblatt «Expert Review of Clinical Pharmacology» raten US-Herzforscher klar von der Methode ab. «Der Wirkbeleg durch Studien ist ungenügend.»
Stoffwechsel kann gestört werden
Die Therapie kann sogar die Gesundheit gefährden. Denn die Chemikalie hat nicht nur das Kalzium in den Gefässen im Visier, sondern bindet auch das im Blut frei schwimmende Kalzium. Das stört den Kalziumstoffwechsel. «Das kann Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle und Atemstilstand hervorrufen», sagt der Zürcher Hausarzt Thomas Walser. Es seien Fälle dokumentiert, bei denen es zu Nierenversagen und zum Tod gekommen sei, weil die Infusion zu schnell ins Blut gelangte. Zudem schwemme die Infusion nicht nur Kalzium, sondern auch «alles Mögliche» heraus. Darunter Spurenelemente wie zum Beispiel Zink. Das könne zu Mangelkrankheiten führen.
Die Ärzte, die mit der Therapie werben, wollten sich zur Kritik nicht äussern. Der Luzerner Hausarzt Kessler schreibt auf seiner Website, in den «letzten 40 Jahren» sei es zu keinem einzigen schweren Zwischenfall gekommen.