Die Post beauftragt auf einigen Linien Privatunternehmen mit dem Personentransport. Solche Postautos fahren auf vielen Buslinien in der ganzen Schweiz. Ein Ostschweizer Betrieb vereinbarte in den Verträgen, dass sich die Chauffeure auch für Ersatzdienste bereithalten müssen – für den Fall, dass ein anderer Fahrer ausfällt.
Für diesen Pikettdienst fordert ein ehemaliger Chauffeur vor dem Bezirksgericht Arbon TG eine Entschädigung von 4000 Franken und zusätzlich 4300 Franken für Überstunden. Der ehemalige Angestellte und der Chef der Busfirma erscheinen beide mit ihrem Anwalt vor Gericht.
Fahrer intervenierte nicht gegen zu tiefe Lohnabrechnungen
Der Anwalt des Klägers macht geltend, der Betrieb habe die Überstunden seines Mandanten mit lediglich 30 Franken pro Stunde entschädigt – statt zum vereinbarten Stundenlohn von Fr. 33.50 bis Fr. 34.90. Auch sei der gemäss Gesetz geschuldete Überstundenzuschlag von 25 Prozent nicht bezahlt worden. So seien dem Fahrer von Dezember 2013 bis Ende 2019 rund 4300 Franken entgangen.
Den fehlenden Betrag habe der Chauffeur erst bemerkt, nachdem er sich nach der Kündigung 2019 an die Gewerkschaft gewandt habe. «Eine Vereinbarung, wonach für Überstunden bloss 30 Franken bezahlt werden, gab es nicht», sagt der Anwalt. Könnten Überstunden nicht kompensiert werden, seien sie zum normalen Lohn mit einem Zuschlag von 25 Prozent zu vergüten.
Der Anwalt des beklagten Busunternehmens entgegnet, dem Kläger sei es bloss darum gegangen, mit den Überstunden seinen Lohn aufzubessern: «Das Gesetz sieht einen Lohnzuschlag nur bei notwendiger und angeordneter Mehrarbeit vor.»
Laut dem Anwalt waren die Einsätze, die zu Überstunden geführt hätten, für den Betrieb nicht notwendig. Der Kläger habe aber die Zusatzeinsätze «in der Regel selbst initiiert» und für die Mehrstunden während Jahren eine Entschädigung von 30 Franken akzeptiert. Auf den Lohnabrechnungen sei vermerkt, man solle Unstimmigkeiten dem Vorgesetzten melden. Das habe der Fahrer jedoch nicht gemacht und den bezahlten Lohn somit akzeptiert. Zudem sei ein Teil der Lohnforderungen ohnehin verjährt.
«Überstundenpolster» gezielt für Pikettdienste aufgebaut
Der Einzelrichter befragt den Fahrer. Dieser beklagt: «Der Betrieb zieht das Personal mit der Einsatzplanung systematisch über den Tisch.» Die Chauffeure müssten sich für Ersatzdienste bis am Vorabend um 18 Uhr bereithalten, würden für diesen Pikettdienst aber nicht bezahlt. Weil er regelmässig zu wenig aufgeboten worden sei, habe er sich ein «Überstundenpolster aufgebaut». Der Chef des Betriebs bestreitet dies und erwidert, ein Chauffeur komme in der Regel auf sein Wochensoll von 42 Stunden.
Der Richter erachtet 3800 Franken Entschädigung für die Überstunden als geschuldet. Das entspreche dem normalen Lohn der letzten fünf Jahre plus Überstundenzuschlag. Die restlichen Überstundenansprüche seien verjährt. Beide Parteien stimmen dem Vergleich zu.
Das gilt bei Überstunden
Überstunden leistet, wer länger als vertraglich vereinbart arbeitet. Ist im Arbeitsvertrag nichts anderes festgelegt, muss der Arbeitgeber Überstunden mit einem Lohnzuschlag von 25 Prozent abgelten. Der Chef kann auch anordnen, dass der Angestellte die Überstunden mit Freizeit kompensiert. Das geht aber nur, wenn der Arbeitnehmer damit einverstanden ist – oder wenn dies im Vertrag so vorgesehen ist.
Lohn für Überstunden ist nur geschuldet, wenn die Mehrarbeit vom Betrieb angeordnet oder genehmigt wurde. Wer heimlich über das vertraglich abgemachte Pensum hinaus arbeitet, hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung oder eine zeitliche Kompensation. Der Anspruch auf Überstundenentschädigung verjährt nach 5 Jahren.