Bundesrat bekämpft Probleme auf Vorrat
Lebensmittel dürfen neu auch Zutaten enthalten, die nicht deklariert sind. Der Bundesrat begründet das mit Lieferengpässen von Rohstoffen wegen der Coronakrise. Bloss: Industrie und Grossverteiler haben gar keine ernsthaften Nachschubprobleme.
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saldo 08/2020
28.04.2020
Eric Breitinger & Vanessa Mistric
In Lebensmitteln muss drin sein, was draufsteht. Diesen Grundsatz hat der Bundesrat im Rahmen des Ausnahmezustands gelockert: Er erlaubt Herstellern, einzelne Zutaten auszutauschen, ohne sie zu deklarieren. Sie müssen lediglich das «neue» Produkt mit einem roten Kleber kennzeichnen. Der Aufkleber muss auf eine Internetseite verweisen, die Konsumenten über den Grund der Abweichung informiert. Zudem müssen die Hersteller den Lieferengpass etwa gegenüber Behö...
In Lebensmitteln muss drin sein, was draufsteht. Diesen Grundsatz hat der Bundesrat im Rahmen des Ausnahmezustands gelockert: Er erlaubt Herstellern, einzelne Zutaten auszutauschen, ohne sie zu deklarieren. Sie müssen lediglich das «neue» Produkt mit einem roten Kleber kennzeichnen. Der Aufkleber muss auf eine Internetseite verweisen, die Konsumenten über den Grund der Abweichung informiert. Zudem müssen die Hersteller den Lieferengpass etwa gegenüber Behörden belegen können.
Neue Regelung gilt für sechs Monate
Laut dem Bundesrat ist die Regelung mit dem roten Punkt nur erlaubt, wenn die neuen Zutaten die Gesundheit der Konsumenten «in keiner Weise» gefährden. Zum Beispiel dürfen sie kein zusätzliches allergisches Potenzial bergen. Der Bundesrat begründet den Eingriff damit, dass der Industrie wegen der Coronakrise «gewisse Zutaten oder Verpackungsmaterialien» fehlen. Sie müsse diese durch vorhandene Rohstoffe ersetzen können. Die neue Regelung gilt gemäss dem Bundesrat vorerst einmal für sechs Monate.
Grossverteiler verkaufen keine Produkte mit dem roten Punkt
saldo wollte von der Bundesverwaltung wissen, welche Zutaten knapp sind. Konkrete Antworten gab das federführende Bundesamt für Lebensmittelsicherheit nicht. Man sei von der Industrie über Lieferengpässe bei «gewissen» Zutaten informiert worden. Ob sie heute noch bestehen, wisse man nicht.
Die Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittelindustrie teilt auf Anfrage mit: «Unseres Wissens sind noch keine solchen Produkte im Verkauf.» Bei den Grossverteilern, die viele Lebensmittel in Eigenbetrieben herstellen, ist der «rote Punkt» bisher kein Thema. Coop, Migros, Lidl und Aldi teilen auf Anfrage von saldo mit, dass sie aktuell keine Produkte mit dem roten Punkt im Sortiment haben.
Ein Lidl-Sprecher sagt, es sei nicht vorgesehen, von der Regelung Gebrauch zu machen. Aldi und Migros planen das ebenfalls nicht. Migros hat bisher auch keine Nachschubprobleme. Auch für Coop sind «generelle Engpässe« kein Thema.