Bund nutzt Meinungsumfragen zur Einflussnahme
Bundesämter geben auf Kosten der Steuerzahler Umfragen in Auftrag, um vor Abstimmungen die Stimmungslage in der Bevölkerung auszuloten. Aus den Resultaten picken sie heraus, was zu ihren
politischen Zielen passt.
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saldo 08/2022
26.04.2022
Jimmy Sauter
Würden Sie einem Nato- oder einem EU-Beitritt zustimmen? Warum liessen Sie sich impfen? Was ist der wichtigste Grund, weshalb Sie Schweizer Landwirtschaftsprodukte kaufen? Mit solchen Fragen konfrontieren Umfrageinstitute die Bürger jede Woche.
Auch der Bund sammelt auf diesem Weg Informationen. Von 2019 bis 2021 gab er 4,3 Millionen Franken für 77 Meinungsumfragen aus. Das ergibt eine saldo-Recherche.
Je mehr der Bund über die Stimm...
Würden Sie einem Nato- oder einem EU-Beitritt zustimmen? Warum liessen Sie sich impfen? Was ist der wichtigste Grund, weshalb Sie Schweizer Landwirtschaftsprodukte kaufen? Mit solchen Fragen konfrontieren Umfrageinstitute die Bürger jede Woche.
Auch der Bund sammelt auf diesem Weg Informationen. Von 2019 bis 2021 gab er 4,3 Millionen Franken für 77 Meinungsumfragen aus. Das ergibt eine saldo-Recherche.
Je mehr der Bund über die Stimmbürger weiss, desto wirksamer kann er die Abstimmungskämpfe planen. Einige Beispiele:
Sollte in den kommenden Jahren über die Cannabis-Legalisierung abgestimmt werden, weiss der Bundesrat schon heute, welches Argument die Bevölkerung am meisten von einem Ja überzeugen wird: die Eindämmung des Schwarzmarkts. Das Bundesamt für Gesundheit liess das 2021 in einer Umfrage erheben. Kostenpunkt: 62 000 Franken.
Das Verteidigungsdepartement stellte in zwei Umfragen zur digitalen Kommunikation in den Jahren 2019 und 2020 fest, dass eine direkte Kommunikation der Armee mit der Bevölkerung auf Plattformen wie Facebook und Instagram die Legitimation der Armee erhöht. Bei der Volksabstimmung im September 2020 entschied sich die Stimmbevölkerung mit einer hauchdünnen Mehrheit von 8670 Stimmen für den Kauf neuer Kampfjets. Der Abstimmungskampf wurde auch über Facebook & Co. geführt. Das Departement bestreitet heute, dass die digitale Kommunikation den Unterschied ausgemacht habe. Die Umfragen kosteten zusammen 56 000 Franken.
Auch das Bundesamt für Kommunikation lotete die Stimmungslage in der Bevölkerung aus. 2019 liess es für 138 000 Franken erkunden, welche Sparmassnahmen bei der Post am ehesten akzeptiert würden. Resultat: eine Reduktion der Postzustellung von sechs auf fünf Tage. Zufall oder nicht: Die Post leert die gelben Briefkästen seit Mai 2021 deutlich seltener (saldo 10/2021). Das Bundesamt für Kommunikation schreibt: Ziel der Umfrage seien «Erkenntnisse über die künftige Nachfrageentwicklung sowie über die politische Akzeptanz möglicher Massnahmen» gewesen. Gemäss Umfrage wollten die Befragten aber lieber staatliche Subventionen für die Post statt Preiserhöhungen oder Sparmassnahmen wie den Abbau bei der Zustellung. Das hängte die Post nicht an die grosse Glocke.