Seit Mitte Oktober ist klar: Der Konzern Astra Zeneca soll der Schweiz 5,3 Millionen Dosen seines Impfstoffs liefern. Bereits im August bestellte der Bund 4,5 Millionen Dosen beim US-Unternehmen Moderna. Bund und Kantone könnten so 4,9 Millionen Personen gegen Corona impfen. Denn pro Impfung sind zwei Dosen nötig.
Allerdings kaufte der Bund die Katze im Sack: Die bestellten Impfstoffe sind zurzeit noch gar nicht zugelassen. Sie müssen sich in Tests am Menschen erst noch als sicher und wirksam erweisen. Entpuppen sich die Impfstoffe als untauglich, könnte der Bund viel Geld für die Bestellungen verlieren.
saldo stellte unter Berufung auf das Öffentlichkeitsgesetz dem Bundesamt für Gesundheit folgende Fragen: Wie viel bezahlte der Bund für die Reservierung der Impfstoffe? Wie viel erhält er zurück, wenn ein Impfstoff keine Zulassung erhält? Doch das Bundesamt verweigerte die Auskunft: Eine Offenlegung der Verträge würde die Verhandlungsposition des Bundes bei laufenden Verhandlungen mit anderen Unternehmen schwächen.
Unklar ist auch, welche Risiken der Bund bei der Haftung einging. Also der Frage, wer bei auftretenden Nebenwirkungen haftet. Bei Tests der neuen Impfstoffe kam es schon zu Schäden. Vor kurzem starb in Brasilien ein Proband. Laut Astra Zeneca bekam er ein Placebo, nicht den Impfstoff. Bei Tests von Moderna litt eine von 40 Testpersonen unter hohem Fieber, eine weitere unter einer starken Erschöpfung.
Die britische «Financial Times» veröffentlichte Mitte Oktober ein internes Papier der europäischen Impfstoffhersteller. Dem Verband gehören unter anderem Astra Zeneca, Sanofi und Glaxo Smith Kline an. Im Papier steht, dass die schnelle Impfstoffentwicklung nicht die gleiche Menge an Beweisen für die Wirksamkeit und Sicherheit erzeuge wie umfangreiche klinische Tests. Das schaffe «unvermeidliche Risiken».
Pharmakonzerne schieben Haftung an Staaten ab
Die Forderung der Pharmakonzerne: Die Staaten sollten Herstellern erlauben, dass sie nicht wie üblich für gesundheitliche Schäden haften, die ihre Impfstoffe verursachen. Offenbar mit Erfolg: Ein Manager von Astra Zeneca sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass die meisten Länder, die Impfstoffe bei Astra Zeneca reserviert hätten, Ausnahmen von der üblichen Haftung für Gesundheitsschäden gewährten. Kommt auch die Schweiz den Lieferanten so weit entgegen? Das Bundesamt verweigert die Auskunft. Auch Moderna und Astra Zeneca schweigen gegenüber saldo.
Im Pandemiegesetz steht: Der Bund kann sich gegenüber Herstellern verpflichten, Impfschäden zu decken. Das heisst: Falls der Bund die Haftung übernommen hat, müssen die Steuerzahler für Impfschäden aufkommen.
Patrick Durisch von der Nichtregierungsorganisation Public Eye kritisiert das Vorgehen des Bundes: «Die Heimlichtuerei stärkt nur die Position der Hersteller, weil die Preise und andere Bedingungen völlig undurchsichtig bleiben.»
Preise sind Geheimsache
Der Bund will nicht sagen, wie viel er für die bestellten Impfstoffe zahlte. Aus gutem Grund: Moderna hat die weltweit die höchsten Preise. Das US-Unternehmen verlangt in der Regel 27 bis 33 Franken pro Dosis. Patrick Durisch von der Nichtregierungsorganisation Public Eye hält diesen Preis für «überrissen». Astra Zeneca verkauft ihren Impfstoff deutlich billiger: für Fr. 2.70 bis 3.60 pro Dosis. Eine Sprecherin sagt dazu, Astra Zeneca stelle den Impfstoff «während der Pandemie ohne Gewinn» zur Verfügung. Gemäss der «Financial Times» lässt sich Astra Zeneca allerdings vertraglich das Recht zusichern, das Ende der Pandemie eigenmächtig auf den
1. Juli 2021 festzulegen. Danach könnte der Konzern seine Preise erhöhen.