Am 25. September kommt die Massentierhaltungsinitiative vors Volk. Auf Seite 13 des Abstimmungsbüchleins lobt der Bundesrat das Tierwohl in der Landwirtschaft in den höchsten Tönen. Der Bund fördere seit über 25 Jahren eine besonders tierfreundliche Stallhaltung und den regelmässigen Auslauf ins Freie. Als «Beweis» schliesst er mit dem Satz: «78 Prozent der Nutztiere konnten im Jahr 2020 regelmässig nach draussen, 2010 waren es 72 Prozent.»
Philipp Ryf vom Ja-Komitee der Massentierhaltungsinitiative kritisiert diese Aussage: «Die Darstellung des Bundesrats ist falsch und irreführend.» Die Situation der meisten Schweine und Hühner sei bei weitem nicht so positiv, wie sie dargestellt werde. «Viele Tiere werden in Ställen auf engstem Raum zusammengepfercht.»
Laut Zahlen der Fleischverbände hielten die Bauern 2020 rund 86 Millionen Nutztiere. Davon hatten gemäss Agrarbericht des Bundes nur 11 Millionen Auslauf ins Freie. Das entspricht 13 Prozent und nicht 78, wie im Abstimmungsbüchlein behauptet.
Der Trick: Der Bund rechnet die Tiere in Grossvieheinheiten um. Das ist eine Grössenangabe, welche die Landwirtschaft zur Berechnung des anfallenden Düngers braucht. Eine Einheit ist 1 Kuh – oder aber 6 Schweine oder 250 Hühner. Ein Hühner- oder ein Schweineleben zählt in dieser Berechnungsmethode also viel weniger als ein Kuhleben. Kühe haben oft Auslauf ins Freie (über 85 Prozent), Masthühner fast nie: Gemäss dem Agrarbericht des Bundes können nur 8 Prozent der Hühner in ihrem Leben ins Freie. Die Bundeskanzlei schreibt saldo, die Beteiligung an Tierwohlprogrammen werde in Grossvieheinheiten gemessen. Zum Fakt, dass der Bund nicht jedes Tier zählt, schreibt die Bundeskanzlei nichts.
Auch die Bauernlobby behauptet immer wieder, die Schweiz habe eines der strengsten Tierschutzgesetze der Welt. Doch Tatsache ist: Legehennen in hiesigen Ställen haben mit lediglich 0,08 Quadratmetern pro Tier etwa gleich wenig gesetzlich vorgeschriebenen Platz wie Käfighennen in der EU mit 0,075 Quadratmetern.
Bund stützt sich auf Angaben der Industrie
Wie einseitig der Bundesrat über das Tierwohl bei Nutztieren informiert, zeigt sich auch bei einer saldo-Recherche über Mastgeflügel: Der Bundesrat beteuerte gegenüber dem Parlament, dass «wesentliche Verbesserungen der Gesundheit von Mastpoulets» erzielt worden seien.
saldo fragte nach, auf welche Datenquelle sich der Bundesrat bei dieser Aussage abstütze. Die Medienabteilung des Bundesamtes für Landwirtschaft antwortete: «Wir legen Ihnen den Artikel des international tätigen Geflügelzuchtunternehmens Aviagen in der Schweizer Geflügelzeitung im Anhang bei.» Das ist alles andere als eine unabhängige Quelle.