Das Bundesamt für Gesundheit überprüft jedes Jahr die Preise eines Drittels der Medikamente, die die Krankenkassen vergüten müssen. Es vergleicht dazu Auslandpreise und Behandlungskosten. Von 2017 bis 2019 verbilligte das Bundesamt auf diesem Weg 945 Präparate um 16 bis 18 Prozent. Die Krankenkassen sparten so rund 900 Millionen Franken. Das zeigen Berechnungen des Krankenkassenverbands Curafutura.
Doch das ist nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Kassen gaben im vergangenen Jahr 7,3 Milliarden für Medikamente aus, 40 Prozent mehr als sechs Jahre zuvor. Jeden fünften Prämienfranken gaben die Versicherten für Arzneimittel aus.
Neue und teure Medikamente ohne Zusatznutzen
Schuld an den steigenden Ausgaben ist vor allem die Pharmaindustrie. Sie treibt die Kosten mit immer teureren Medikamenten gegen Krebs, Immunkrankheiten und seltene Krankheiten in die Höhe. Eine Behandlung gegen einen fortgeschrittenen Brustkrebs mit dem Präparat Ibrance von Pfizer etwa kostet über 40 000 Franken im Jahr. Das Medikament bringt aber laut Experten keinen zusätzlichen Nutzen gegenüber einer Therapie mit dem vergleichbaren Präparat Letrozol. Es kostet nur 1000 Franken pro Jahr.
Das ist kein Einzelfall: 47 von 69 Medikamenten, die Kassen seit 2015 neu vergüten müssen, bringen Patienten keinen Zusatznutzen gegenüber vorhandenen Medikamenten (saldo 12/2019).
Fünf umsatzstarke Medikamente vom Preisvergleich ausgespart
Andreas Schiesser von Curafutura wirft dem Bund vor, bei der Überprüfung der Medikamentenpreise zu zögerlich vorzugehen. Beispiele:
Das Bundesamt für Gesundheit nimmt häufig Medikamente von der Preisüberprüfung aus. Folge: Deren Preise bleiben vorerst unverändert. Zurzeit sind das fünf Medikamente, die zu den zehn umsatzstärksten gehören. Etwa das Krebsmedikament Keytruda, das dem Hersteller MSD im vergangenen Jahr in der Schweiz 122 Millionen Franken Umsatz bescherte. Oder Humira, ein Mittel zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten (Umsatz: 110 Millionen). saldo-Berechnungen zeigen: Ohne die Ausnahmen würden Patienten im kommenden Jahr mindestens 60 Millionen Franken weniger zahlen.
Das Amt vergleicht bei patentgeschützten Medikamenten nur die Preise von ebenfalls patentgeschützten Konkurrenzprodukten – aber keine günstigeren Generika oder Medikamente ohne Patentschutz. Beispiel Xarelto: Ein Patient zahlt dafür pro Tag Fr. 2.60, für das vergleichbare Präparat Lixiana Fr. 2.51 und für Eliquis Fr. 2.53. Dabei gibt es günstigere Alternativen: Das patentabgelaufene Marcoumar etwa kostet nur 14 Rappen pro Tag. Doch das Bundesamt für Gesundheit zog das Präparat nicht in seinen Vergleich mit ein. Sonst müssten die Prämienzahler für Xarelto nur halb so viel zahlen. Allein damit liessen sich so laut Curafutura über 100 Millionen pro Jahr einsparen.
Bundesamt vergleicht nur mit Hochpreisländern
Kommt hinzu: Das Bundesamt für Gesundheit vergleicht bei der Überprüfung stets die Schweizer Preise eines Medikaments mit denen in neun europäischen Hochpreisländern, klammert aber Länder mit tieferen Preisen aus. Zudem rechnet es nur mit Listenpreisen, obwohl die realen Preise tiefer sind.
Man nehme nur Medikamente von der Kontrolle aus, die man in anderen Verfahren überprüfe, sagt das Bundesamt. Und man vergleiche stets nur patentgeschützte Medikamente miteinander, um die Forschungsausgaben zu berücksichtigen. Die Länderauswahl sei ein «politischer Entscheid» des Bundesrats. Die «real bezahlten Preise» in den Vergleichsländern seien unbekannt. Andreas Schiesser überzeugt das nicht: «Das Bundesamt verschanzt sich hinter pharmafreundlichen Verordnungen, die es selbst geschrieben hat, und kommt seiner gesetzlichen Pflicht nicht nach, für kostengünstige Preise zu sorgen.»