Die Gletscher gehen zurück. Die Baumgrenze steigt, und die Vegetation rückt polwärts. Die Meere werden wärmer und Flutkatastrophen mehren sich: Die Szenerie, die der deutsche Historiker Wolfgang Behringer in seinem Buch «Kulturgeschichte des Klimas» skizziert, liest sich wie das Drehbuch der drohenden Klimakatastrophe.
Doch der Autor beschreibt ein längst vergangenes Ereignis – den «Fall der grossen globalen Erwärmung des Holozäns vor zirka 10 000 Jahren». Es war die Zeit, als die Menschen einen ersten grossen Zivilisationsschritt machten, sesshaft wurden und erstmals Landwirtschaft betrieben.
Ähnliches ereignete sich auch vor rund 8000 Jahren. Oder zur Blütezeit des römischen Reichs (200 vor bis 135 Jahre nach Christus) und im Hochmittelalter (900 bis 1400). Die Warmzeiten wurden immer wieder von kalten Perioden unterbrochen, die zu Hunger, Krankheit und Kriegen führten.
Es herrscht noch immer Eiszeit
Auf seinem Streifzug durch die Geschichte beschreibt Behringer, wie das Klima die Lebensweise und Kultur unserer Vorfahren bestimmte – und wie es den Menschen immer wieder gelang, die Folgen massiver Klimaveränderungen zu bewältigen.
Die ersten modernen Menschen, die Afrika vor 120'000 Jahren verliessen, seien «Kinder der Eiszeit», schreibt Behringer. «Auch wenn es gegenwärtig wärmer wird, leben wir noch immer in einer Eiszeit.» In der Geologie werden Eiszeiten dadurch definiert, dass an den Erdpolen und in den Bergen Gletscher existieren. Dies sei ein «Ausnahmezustand», denn «Warmzeiten seien das charakteristische Klima der Erde».
Der Autor stellt die Notwendigkeit von Klimaschutzmassnahmen nicht infrage. Aber er warnt vor «apokalyptischen Prognosen». Die Geschichte zeige, dass sich das Klima stets gewandelt und der Mensch darauf mit Anpassungsleistungen reagiert habe: «Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen.»
Wolfgang Behringer, «Kulturgeschichte des Klimas», C.H. Beck, München 2022, 352 S., ca. 40 Franken
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