Es sind Sätze wie Schläge in die Magengrube. «Wir nennen unsere Spezies Homo sapiens – der weise Mensch», schreibt der israelische Historiker Yuval Noah Harari: «Es ist jedoch fraglich, welche Ehre wir diesem Namen machen.»

Für den Autor ist die Frage längst geklärt. Der Mensch habe in den letzten 100'000 Jahren viel Macht erworben – und sei trotzdem gescheitert. «Wir stehen am Rande des ökologischen Zusammenbruchs. Und wir entwickeln neue Technologien wie die künstliche Intelligenz, die das Potenzial haben, uns zu versklaven oder gar zu vernichten.»

Was läuft schief? Warum ist der Mensch auf der Überholspur in den Untergang? Der Siegeszug des Homo sapiens gründe in seiner Fähigkeit, «kooperative Netzwerke» aufzubauen, schreibt Harari. Das Problem: Grosse Netzwerke arbeiten mit «Fiktionen, Illusionen und Trugbildern», um ihre Mitglieder an sich zu binden und zu kontrollieren.

«Nicht mehr nur Werkzeug, sondern Akteur»

Harari spannt einen grossen Bogen von der Steinzeit über die Erfindung der Schrift bis zur Ausbreitung der Massenmedien und zeigt auf, wie Informationen die Welt formen. «Informationsnetzwerke haben im Lauf der Geschichte die Ordnung über die Wahrheit gestellt», so der Autor.

Mit fatalen Folgen. So habe etwa der Buchdruck nicht nur den wissenschaftlichen Austausch gefördert, sondern auch Hexenjagden und Religionskriege. Und der Aufstieg des Radios in den 1920er-Jahren half nicht nur der Demokratie, sondern auch totalitären Regimes.

Mit dem Vormarsch neuer Software wie ChatGPT, die für das Verfassen von Texten keine Menschen mehr braucht, sei ein Kipppunkt erreicht worden, warnt Harari: Selbstlernende Software sei nicht mehr nur Werkzeug, «sondern Akteur». Gelinge es nicht, die Entwicklung der IT zu regulieren», könnten Maschinen bald ungehindert verzerrte Weltbilder verbreiten und neue Hexenjagden anzetteln.

Yuval Noah Harari, «Nexus», Penguin, München 2024, 656 Seiten, ca. 40 Franken