Am 15. Mai 1951 steckte die Informatik noch in den Kinderschuhen, und das Internet war in weiter Ferne. An diesem Tag überraschte der britische Mathematiker Alan Turing BBC-Hörer mit einer unglaublichen These: Bald werde es Geräte geben, «die Fragen auf eine Weise beantworten, die es schwer macht, zu entscheiden, ob die Antworten von einem Menschen oder von einer Maschine kommen».
Was damals Stoff für Science-Fiction war, ist längst Wirklichkeit geworden. Der britische IT-Experte Mustafa Suleyman zeigt in seinem neuen Buch, wie selbstlernende Systeme in der Lage sind, Fotos und Texte zu kreieren, die sich von menschlichen Produkten kaum mehr unterscheiden. Bald sei es auch möglich, Erbgutsequenzen aller Art im Heimlabor herzustellen.
Die neue «Welle der Technologie», die «unaufhaltsam wie ein Tsunami» heranrolle, werde die Welt so radikal verändern wie keine technische Innovation zuvor, warnt der Autor. Die sogenannte künstliche Intelligenz und die synthetische Biologie hätten zwar das Potenzial, den Wohlstand zu vermehren und bislang unheilbare Krankheiten zu heilen. «Zugleich öffnen sie aber auch die Tür zu computergestützten Cyberangriffen, zu automatisch erzeugten Kriegen und künstlich erzeugten Pandemien.»
Suleyman ist kein Technikgegner. Als Mitgründer der IT-Firma Deep Mind war er an vorderster Front an der Entwicklung selbstlernender Systeme beteiligt. Bei seiner Arbeit sei ihm bewusst geworden, wie die neuen Technologien die «Menschheitsgeschichte an einen kritischen Wendepunkt» gebracht hätten, blickt der Autor zurück: «Unsere Zukunft hängt von diesen Technologien ab, ist aber gleichzeitig durch sie gefährdet.»
Am Schluss des Buchs zeigt Suleyman auf, wie sich die Risiken verringern lassen – die Massnahmen reichen von der Installation neuer Sicherheitssysteme über global geltende Hightech-Gesetze bis hin zu neuen Unternehmensformen.
Mustafa Suleyman, «The Coming Wave», C. H. Beck, München 2024, 387 Seiten, ca. Fr. 42.–