Am 4. November 1799 wurde der deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt auf seiner Forschungsreise durch Venezuela Zeuge eines Erdbebens. «Humboldt machte alle möglichen physikalischen Messungen», schreibt Martin Wikelski, Direktor am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz und Radolfzell (D). Bedeutender seien aber seine Hinweise auf das Verhalten der Tiere gewesen, die Tage vor dem Beben in Unruhe gerieten.
Humboldts Berichte hätten seine eigene Forschung geprägt, schreibt Wikelksi in seinem neuen Buch. Auf 318 Seiten gibt er faszinierende Einblicke in die sensorischen Fähigkeiten und das Gruppenverhalten von Wildvögeln, Seelöwen, Füchsen und Giraffen – und in die Arbeit an seinem Lebenswerk, dem Tierbeobachtungsprojekt Icarus: «Was mir vorschwebte, war ein Internet der Tiere, das es ermöglicht, die Weisheit der intelligentesten Sender dieses Planeten zu nutzen.» Das satellitengestützte System, dass die Signale von mit Sendern bestückten Wildtieren aufzeichnet und verknüpft, soll Ende 2024 voll betriebsbereit sein.
Die elektronische Aufzeichnung von Tierwanderungen ist nichts Neues. Icarus erlaubt aber die Aufzeichnung und Verknüpfung von noch mehr Daten in Echtzeit. Ähnlich wie bei Wettervorhersagen liessen sich durch die Beobachtung vieler vernetzter Tiere präzise «Momentaufnahmen vom Zustand des Planeten» und Gefahreneinschätzungen machen, schreibt Wikelski.
Ein solcher Bericht könnte etwa so aussehen: «Papageien, Füchse, Bienen und Schlangen rund um den Pinatubo auf den Philippinen verhalten sich unauffällig – für heute und morgen sind keine vulkanischen Aktivitäten zu erwarten.» Das «Internet der Tiere», so der Autor, ermögliche es, den «sechsten Sinn der Tiere» zu nutzen, um vor Katastrophen wie Vulkanausbrüchen, Tsunamis oder Pandemien zu warnen.
Martin Wikelski, «The Internet of Animals. Was wir von der Schwarmintelligenz des Lebens lernen können», Malik, München 2024, 318 Seiten, 35 Franken
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