Jedes Unternehmen mit Sitz in der Schweiz muss seine Angestellten einer Pensionskasse anschliessen. Von den insgesamt gut 4 Millionen Erwerbstätigen haben 1,8 Millionen ihre 2. Säule bei privaten Lebensversicherungen, der Rest bei Vorsorgestiftungen.
Kleine und mittlere Betriebe gründen keine eigene Pensionskasse, sondern schliessen sich einer Sammelstiftung an. Das sind Kassen, welche die Angestellten aus zahlreichen Betrieben gemeinsam versichern.
Vergleich der Kosten und Leistungen lohnt sich
Bevor sich ein Arbeitgeber für eine bestimmte Kasse entscheidet, holt er Offerten ein. Dabei lässt er sich von Versicherungsbrokern Angebote von verschiedenen Pensionskassen machen. Denn die Aufgabe ist komplex. Kaum ein Arbeitgeber blickt auf dem unübersichtlichen Vorsorgemarkt durch. Zusammen mit dem Broker vergleicht der Betrieb dann das Verhältnis von Kosten und Nutzen und entscheidet sich, wo er die Angestellten im Rahmen der 2. Säule versichert.
Ein aktuelles Beispiel zeigt: Das Vergleichen lohnt sich. Die Offerten von acht Pensionskassen für einen Betrieb mit rund 100 Angestellten gingen stark auseinander. Die jährlichen Prämien lagen zwischen 950 000 und 1,09 Millionen Franken – eine Differenz von 140 000 Franken oder rund 19 Prozent.
Pro Jahr werden bis zu 300 Millionen abgezweigt
Broker arbeiten nicht gratis. Die beste Lösung für die Betriebe: Sie entschädigen die Broker für ihren Aufwand mit einem Honorar. Doch die Praxis sieht anders aus: Die Arbeitgeber zahlen ihnen in der Regel nichts. Dafür einigen sich die Broker mit den Pensionskassen auf eine jährliche Provision. Im Klartext: Die Pensionskassen zahlen den Brokern dann Jahr für Jahr einen bestimmten Prozentsatz der vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einbezahlten Prämien verdeckt zurück. Diese Kickbacks gehen auf Kosten der Versicherten.
Die Rede ist von jährlich rund 300 Millionen Franken, die von den Pensionskassenprämien abgezweigt werden. Auf diesen Betrag schätzt das Beratungsunternehmen C-alm die jährlichen Brokerkosten. Allein die Lebensversicherungen Swiss Life, Bâloise, Helvetia, Allianz Suisse, Pax, Zurich, Mobiliar, Generali und Axa zahlten im Jahr 2017 gemäss dem Transparenzbericht der Finanzmarktaufsicht Finma 100 Millionen Franken Kickbacks an Broker und Makler. Und zusätzlich 86 Millionen Franken Provisionen für den eigenen Aussendienst. Das macht pro erwerbstätigen Versicherten 124 Franken pro Jahr aus.
Gemäss Stefan Thurnherr vom VZ Vermögenszentrum belaufen sich die Provisionen an die Broker im Durchschnitt auf 5 bis 10 Prozent des Betrags, den die Kassen für Risikoprämien und Verwaltungskosten erhalten.
Die Kickbacks an die Broker können verhindern, dass die Kasse mit dem besten Verhältnis von Preis und Leistung gesucht wird. Denn die Broker sind daran interessiert, ihren Kunden diejenige Pensionskasse vorzuschlagen, die ihnen die höchsten Kickbacks zusichert. Fakt ist denn auch: Pensionskassen, die ihren Brokern viel zahlen, wachsen am schnellsten.
Die Kickbacks sind in der Branche ein heisses Eisen. Das zeigt sich etwa an einem Mailverkehr zwischen Kurt Gfeller, Vizedirektor des schweizerischen Gewerbeverbandes, und einer Zeitschrift. Diese hatte Gfeller um ein Interview zu Fragen der Brokerentschädigung gebeten. Gfeller gab die Frage an einen Kollegen weiter: «Möchtest du hier Auskunft geben? Falls nicht, stelle ich mich selbstverständlich zur Verfügung und werde die Vorzüge der Broker herausstreichen.» Dies mit dem Hinweis, der Brokerverband sei ja Mitglied des Gewerbeverbandes.
Kassen können Kickbacks von Brokern zurückfordern
Die Versicherten können sich gegen die Kickbackpraxis wehren. Das Bundesgericht hat mehrmals bestätigt, dass ein Beauftragter bei einem Auftragsverhältnis alle von Dritten erhaltenen Retrozessionen an seinen Auftraggeber herauszugeben hat. Das gilt auch für Pensionskassenbroker. Die Basler Anwältin und Professorin Monika Roth stellt fest: «Jährlich wiederkehrende Courtagen in der 2. Säule sind Retrozessionen.»
Tipp: Versicherte können sich an den Stiftungsrat ihrer Kasse wenden und diesen auffordern, die Kickbacks vom Broker zurückzufordern. Oder vom Arbeitgeber verlangen, dass er eine Pensionskasse wählt, die keine Kickbacks an Broker zahlt. Das würde die Höhe der Lohnabzüge reduzieren.