Wer einen Brief am Rosengarten mitten in der Stadt Bern einwerfen möchte, muss früh aufstehen. Denn der Briefkasten wird werktags um 7.30 Uhr letztmals geleert. Wer danach einen A-Post-Brief einwirft, hat Pech: Der Brief kommt je nach Wochentag erst nach zwei bis vier Tagen an.
Trotz dieses Serviceabbaus gab Postchef Roberto Cirillo letzte Woche die Preiserhöhung für A-Post-Briefe von Fr. 1.– auf Fr. 1.10 und für B-Post- Briefe von 85 auf 90 Rappen bekannt. Für die A-Post ist das eine 10-prozentige Portoerhöhung. Zum Vergleich: Die allgemeine Teuerung belief sich seit dem letzten Aufschlag im Jahr 2004 nur auf 6 Prozent.
Der Briefkasten am Rosengarten ist kein Einzelfall: In Zürich werden Dutzende von Briefkästen letztmals um 9 Uhr geleert – etwa am Bahnhof Zürich-Affoltern. An der Weinbergstrasse 29 schon um 8.30 Uhr, an der Ecke Langstrasse/Neugasse sogar um 8 Uhr. Die Post sagt, dass in den Städten «immer noch ein Briefeinwurf mit einer Leerung nach 16 Uhr in unmittelbarer Nähe» möglich sei.
Auch an Sonntagen hat die Post den Service abgebaut: saldo deckte im vergangenen Mai auf, dass der Bundesbetrieb von den verbliebenen 14 414 Briefkästen sonntags nur noch 290 leert, zuvor waren es 1724 (saldo 10/2021).
Die Post behauptet seit Jahren, die Zahl versandter Briefe gehe zurück. Was sie nicht sagt: Das Briefgeschäft ist hochrentabel. In den letzten fünf Jahren erzielte der Staatsbetrieb mit der Sparte «Post-Mail» einen Gewinn von über 1,7 Milliarden Franken, seit dem Jahr 2011 waren es 3,3 Milliarden (siehe Tabelle Im PDF).
Mit Paketen verdiente die Post in den vergangenen zehn Jahren «nur» 1,4 Milliarden Franken – weniger als die Hälfte. Aber auch hier ist die Tendenz steigend: Im Coronajahr 2020 erzielte die Paketpost den mit Abstand höchsten Jahresgewinn der letzten zehn Jahre: 201 Millionen Franken.
Anfang dieses Jahres legte die Post die Brief- und die Paketsparte zusammen: So muss sie künftig die enormen Briefpostgewinne nicht mehr separat ausweisen. Das macht es den Verantwortlichen leichter, über eine angebliche Misere im Briefgeschäft zu klagen.