Bremsstaub verursacht Lungenkrankheiten
Autos stossen beim Bremsen viel mehr Feinstaub aus als angenommen. Neue Messungen zeigen: 15 Prozent der schädlichen Partikel im Strassenverkehr stammen von Autobremsen.
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saldo 05/2021
16.03.2021
Letzte Aktualisierung:
17.03.2021
Eric Breitinger
Neuere Autos stossen mit ihren Abgasen in der Regel weniger Feinstaub aus als ältere Modelle. Grund: Viele haben einen Partikelfilter. Mediziner und Ingenieure konzentrieren sich daher verstärkt auf eine weitere Feinstaubquelle beim Auto: die Bremsen.
Wissenschafter des Forschungsinstituts Empa in Dübendorf ZH haben nun erstmals gemessen, wie gross der Bremsabrieb bei einem gängigen Auto im realen Verkehr ist. Testauto war ein sechs Jahre alter VW Jetta 1.4 ...
Neuere Autos stossen mit ihren Abgasen in der Regel weniger Feinstaub aus als ältere Modelle. Grund: Viele haben einen Partikelfilter. Mediziner und Ingenieure konzentrieren sich daher verstärkt auf eine weitere Feinstaubquelle beim Auto: die Bremsen.
Wissenschafter des Forschungsinstituts Empa in Dübendorf ZH haben nun erstmals gemessen, wie gross der Bremsabrieb bei einem gängigen Auto im realen Verkehr ist. Testauto war ein sechs Jahre alter VW Jetta 1.4 TSI Hybrid. Die Tester ermittelten seinen Bremsabrieb im realitätsnahen WTLP-Zyklus, mit dem der Schadstoffausstoss heute weltweit gemessen wird. Auftraggeber der Studie war das Bundesamt für Umwelt.
Ergebnis: Die Bremsen des VW Jetta verursachen pro Kilometer Fahrt etwa so viel Feinstaub, wie ein neuerer Verbrennungsmotor mit Partikelfilter auf dieselbe Distanz ausstösst – rund 4 Milligramm.
Auch Elektroautos lösen das Bremsstaubproblem nicht. Sie verursachen laut Empa-Forscher Potis Dimopoulos Eggenschwiler im Durchschnitt ähnlich viele Partikel wie Autos mit Verbrennungsmotor. Der Grund: Elektroautos können zwar einen Teil der Bremsvorgänge elektrisch ausführen. Das reduziert den Bremsabrieb. Diese Autos sind aber aufgrund der Batterien schwerer als Verbrenner, was den Abrieb wiederum erhöht.
Bremsstaub kann in den Körper gelangen
Der Bremsabrieb besteht laut Studie aus dem Eisenoxid der Bremsscheibe und aus Partikeln von Magnesium-, Kalium-, Kupfer- oder Titanoxiden, die von den Bremsbelägen stammen. Viele Partikel sind extrem klein. Sie können durch die Atmung in den Körper gelangen (saldo 8/2019). Laut einer vor kurzem veröffentlichten Studie des King’s College in London könnte der Feinstaub aus Bremsen ähnlich schädlich sein wie jener aus Verbrennungsmotoren. Beide fördern etwa Lungenentzündungen oder Bronchitis.
Das Bundesamt für Umwelt hält den Bremsabrieb für eine bisher «unterschätzte Gefahr». 15 Prozent der Partikelemission im Strassenverkehr stammen laut dem Bundesamt von den Bremsen. Daneben sind vor allem ältere Verbrennungsmotoren und der Reifenabrieb grosse Quellen für Partikelemissionen.
Laut Giovanni D’Urbano vom Bundesamt ist der beste Schutz «das Anbrin- gen von Partikelfiltern an der Quelle». Die Zulieferfirma Mann & Hummel (D) entwickelte einen solchen Bremsstaubpartikelfilter. Er soll den Ausstoss um 80 Prozent reduzieren. Unter anderem testet VW ihn zurzeit in einem Golf TDI. Eine Filterpflicht für Bremsen soll in der EU voraussichtlich ab 2025 gelten. Mann & Hummel will seinen Filter vorher auf den Markt bringen.