Das Luzerner Unternehmen Chrisana verkauft Kapseln mit dem Element Bor. Das Halbmetall stammt aus Minen in der Türkei, in Frankreich oder den Vereinigten Staaten.
Laut Chrisana soll Bor die Gehirnleistung verbessern. Leute, die regelmässig Präparate mit etwas über 3 Milligramm Bor schlucken würden, hätten laut Studien ein besseres Gedächtnis und könnten Koordinationsaufgaben besser lösen. Eine Chrisana-Kapsel enthält 3 Milligramm Bor.
Auch Burgerstein verkauft Produkte mit Bor. Bor könne vor Arthrose, Osteoporose und auch vor gewissen Krebskrankheiten schützen. Darauf würden Studien hinweisen, so die Herstellerin.
Studien zum Nutzen von Bor «kaum aussagekräftig»
Doch für derartige Heilsanpreisungen gibt es keine wissenschaftlichen Belege: Zu diesem Schluss kommen Experten des deutschen Fachblatts «Gute Pillen – schlechte Pillen». Sie hatten die vorhandenen Studien zu Bor geprüft. Ihr Fazit: Solche Präparate hätten «vermutlich keinen Nutzen».
Die deutsche Verbraucherzentrale kam Anfang dieses Jahres zu einem ähnlichen Resultat: Die Studien, auf welche sich die Verkäufer stützen, seien «kaum aussagekräftig». Es handle sich entweder um Tier- oder Zellversuche – oder dann um Studien am Menschen, aber mit zu wenigen Teilnehmern.
Einer der führenden Bor-Experten ist der Schweizer Chemiker Simon Duttwyler. Er lehrt an der Zhejiang-Universität im chinesischen Hangzhou. Duttwyler sagt, es gebe erst sehr wenige korrekt durchgeführte klinische Studien zu Präparaten mit Bor: «Die Ergebnisse sind nicht eindeutig.»
Unbestritten ist: Pflanzen und gewisse Tiere können ohne Bor nicht leben. Duttwyler: «Für den Menschen ist das noch nicht sicher.»
Gemäss den Gesundheitsbehörden in den USA und in Europa ist Bor für Menschen nicht lebensnotwendig. Der deutsche Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber des kritischen deutschen Fachblatts «Arznei-Telegramm», weist darauf hin, dass man mit einer ausgewogenen Ernährung genug Bor aufnimmt: «Mangelerscheinungen sind mir nicht bekannt.»
Experten warnen vor einer Überdosierung
Im Gegenteil: Experten sehen eher die Gefahr, dass man zu viel Bor aufnimmt. Nach Berechnung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit sollten Erwachsene maximal 10 Milligramm, Kinder von 3 bis 10 Jahren sogar nur 3,5 Milligramm Bor pro Tag zu sich nehmen. Diese Werte könnten schnell erreicht werden – vor allem, wenn man zur gewöhnlichen Ernährung noch zusätzliche Bor-Präparate schluckt.
Schätzungen gehen davon aus, dass jeder Mensch mit der Ernährung bis zu 3 Milligramm Bor am Tag aufnimmt. Vor allem Obst und Gemüse, Getreideprodukte und Nüsse, Trockenobst und Blattgemüse sowie Mineralwasser, Wein und Bier enthalten viel Bor – tierische Lebensmittel dagegen fast keines.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit warnte deshalb bereits vor zehn Jahren vor einer Überdosierung. Studien an Ratten, Mäusen und Hunden ergaben, dass Bor in höherer Dosis die Fortpflanzung beeinträchtigt.
Auch die deutsche Verbraucherzentrale verweist auf Studien an Säugetieren. Diese würden zeigen, dass grosse Mengen an Borverbindungen zu einer verminderten Spermienqualität sowie zu Missbildungen bei Neugeborenen führen können. Deshalb warnt Becker-Brüser: «Ich empfehle dringend, auf solche Präparate zu verzichten.»
Die Firma Chrisana verwies saldo an ein deutsches Unternehmen, von dem es das Bor für seine Produkte bezieht. Dieses reagierte nicht auf die Anfrage.