Rund 10 Milliarden Franken soll das Bitcoin-Vermögen von Schweizer Anlegern betragen. Das schätzt Raffael Huber, Forschungschef des Finanzdienstleisters Bitcoin Suisse. Der Betrag entspricht rund 1 Prozent der weltweit gehandelten Bitcoins.
Vom Boom der virtuellen Währung müsste auch der Fiskus profitieren. Doch es ist ungewiss, ob Vermögen in Kryptowährungen versteuert werden. Denn wer mit virtuellen Währungen wie Bitcoins und Ether handelt, muss seine Identität nicht preisgeben. Und es gibt keine Stelle, welche die Transaktionen steuert, überwacht oder speichert. Alle Daten werden im Netzwerk der Bitcoin-Anleger verschlüsselt abgelegt. Banken braucht es dafür nicht. Auch keine staatlichen Instanzen.
Will jemand Bitcoins kaufen, kann er dies bei Internetbörsen tun. Die zum Beispiel mit Kreditkarte bezahlten Bitcoins befinden sich dann in einem sogenannten Wallet. Es gibt Wallets in Form von Hardware und Software. Bei Hardware ist das Bitcoin-Vermögen auf einem USB-Stick oder auf der Festplatte des Computers gespeichert.
Softwarebasierte Wallets sind vergleichbar mit einem E-Mail-Konto. Zugang zum Wallet ist nur mit einem einzigen Schlüssel möglich. Dabei handelt es sich um eine über 50-stellige Kombination von Zahlen und Buchstaben. Wer den Schlüssel hat, verfügt über das Geld. Ob er es dem Fiskus bekanntgeben will, entscheidet er allein.
Steuerämter setzen auf die Ehrlichkeit der Bitcoin-Besitzer
Das Finanzdepartement des Bundes prüfte im Sommer 2020 eine Anpassung des Steuerrechts, um die Verheimlichung von Bitcoin-Vermögen zu verhindern. Die Behörde sei aber zum Schluss gekommen, dass sich Steuerhinterziehung nicht mit gesetzlichen Vorschriften einschränken lässt, sagt Sprecher Joel Weibel. «Wie bei Bankkonten oder Bargeld ist der Fiskus darauf angewiesen, dass die Steuerpflichtigen ihr Vermögen wahrheitsgetreu deklarieren.»
Nur: Seit 2017 tauschen die Schweizer Behörden im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs mit 100 Staaten die Angaben über Inhaber von Bankkonten und Wertschriftendepots aus. Das erschwert die Steuerflucht via das internationale Bankensystem beträchtlich. Umso attraktiver ist für Steuerflüchtlinge der Umstieg in Kryptowährungen.
Haben Bund und Kantone Instrumente, um die Anleger zur Kasse zu bitten, die in virtuelle Währungen investieren? Eine Umfrage von saldo bei den Steuerämtern Basel, Bern, Graubünden, Luzern, St. Gallen, Thurgau, Zug und Zürich ergab: Die Ämter tappen im Dunkeln und sind bei der Ermittlung von Steuerhinterziehern auf Zufallstreffer angewiesen.
Urs Hartmann von der Bündner Steuerverwaltung sagt: «Steuerhinterziehung mit Bitcoins können wir nicht verhindern. Wir versuchen aber, diese Vermögen mit verschiedenen Kontrollmechanismen zu entdecken.» Besitzt ein Steuerzahler zum Beispiel plötzlich ein Haus, obwohl er in der Steuererklärung nur ein kleines Einkommen und kein Vermögen deklarierte, hake das Steueramt nach. Schwieriger werde es, wenn Bitcoin-Besitzer das Geld beispielsweise für Ferien ausgäben.
Die Steuerämter setzen vor allem auf Information und die Ehrlichkeit der Steuerpflichtigen. «Wir erwähnen die Steuerpflicht für Bitcoins explizit in der Wegleitung zur Steuererklärung», sagt Felix Sager, Leiter des Steueramts St. Gallen. Konkrete Zahlen über die Höhe des in der Schweiz versteuerten Kryptowährungsvermögens existieren nicht. Laut dem Steueramt des Kantons Zug würden keine solchen Zahlen erhoben.
Solange die Steuerämter nicht wissen, wie viele Bitcoins regulär versteuert werden, können sie auch nicht annähernd abschätzen, wie viele Einkünfte ihnen entgehen. Die politischen Entscheidungsträger interessieren sich nicht dafür, wie eine saldo-Recherche in den Kantonen Bern, St. Gallen, Luzern und Zürich ergab: Zur Steuerhinterziehung von Kryptowährungen gibt es keinen einzigen politischen Vorstoss.
Auch Betreibungsämter auf ehrliche Schuldner angewiesen
Auch Betreibungs- und Konkursämter sind auf die Ehrlichkeit der Betriebenen angewiesen, wenn sie Bitcoin- Vermögen beschlagnahmen wollen. Bruno Crestani vom Betreibungsamt Zürich 4 bestätigt: «In einer Pfändung muss uns der Schuldner unter Strafandrohung alle Vermögenswerte angeben, also auch Bitcoins. Verschweigt er sie, können wir nichts machen.»
Dominic Staible vom Notariatsinspektorat des Kantons Zürich ergänzt: «Wir sind darauf angewiesen, dass uns die konkursite Person in der Einvernahme freiwillig sagt, dass er Bitcoins oder eine andere Kryptowährung besitzt und uns den Schlüssel bekanntgibt.» Tue er dies nicht, sei man auf Zufallsfunde angewiesen. Das könne eine Kreditkartenabrechnung sein, auf der eine Überweisung an eine Kryptobörse vermerkt ist. «Oder wir finden den Schlüssel zum Beispiel im Computer des Schuldners oder auf Papier ausgedruckt in einem Bankschliessfach.»
Laut Marcel Scholl, Abteilungsleiter in der Staatsanwaltschaft für qualifizierte Wirtschaftsdelikte und Geldwäschereiverfahren des Kantons Zürich, wird auch immer mehr Geld via Kryptowährungen gewaschen. Kein Wunder: Bei Investitionen in Bitcoins überprüft niemand, woher das Geld stammt.