Häuser und Wohnungen sind in der Schweiz für viele Normalverdiener nicht mehr erschwinglich. In Deutschland sind Immobilien deutlich günstiger. Das nutzt die deutsche White Immobilien GmbH in Eschborn aus, um Schweizer anzulocken: Sie macht ihnen auf Internetplattformen wie Instagram schmackhaft, im süddeutschen Raum Häuser und Wohnungen «mit Wertsteigerungspotenzial» zu kaufen.
Das Versprechen: Mit solchen Immobilien würden Schweizer Käufer ein regelmässiges zusätzliches Einkommen verdienen und im Alter die Rente aufbessern. Der Kauf sei mit einem «Schweizer Durchschnittslohn» möglich, mit nur «wenig» oder sogar «ohne» Eigenkapital.
Rund 90'000 Euro zu viel für die Wohnung bezahlt
Von einem regelmässigen zusätzlichen Einkommen kann aber keine Rede sein. Im Gegenteil. Vanessa Maurer (Name geändert) aus dem Kanton Zürich fiel auf ein Angebot von White Immobilien herein – und zahlt jeden Monat Geld drauf. «Ich hätte es wissen müssen», sagt die kaufmännische Assistentin heute. «Ich hätte merken müssen, dass das Angebot der Firma zu schön ist, um wahr zu sein.»
2022 hatte Maurer via White Immobilien eine 75 Quadratmeter grosse Dreizimmerwohnung im deutschen Donaueschingen gekauft – zum Preis von 288'000 Euro. Das entspricht 3840 Euro pro Quadratmeter und ist viel zu viel: Der bekannte Immobilienmakler Engel & Völkers gibt auf seinem Portal für eine solche Wohnung einen Quadratmeterpreis von 2700 Euro an, die deutsche Plattform Immowelt 2640 Euro. Vanessa Maurer bezahlte somit zwischen 85'500 und 90'000 Euro zu viel für die Wohnung.
Vanessa Maurer hatte sich die Wohnung vor dem Kauf nie persönlich angesehen. Immer hätten Mitarbeiter von White Immobilien Ausreden gehabt, warum das nicht möglich sei, erzählt die Zürcherin. Der Verkaufsprozess sei vor allem über Videotelefonate gelaufen.
Nur der Immobilienvermittler macht Gewinn
Für den überhöhten Kaufpreis ist auch die Provision verantwortlich, die White Immobilien verlangt. 15 bis 25 Prozent des Verkaufspreises zwackte die Maklerfirma ab. Die Vertriebsprovision war im Kaufpreis inbegriffen. Doch das erfuhr Vanessa Maurer erst nach dem Kauf in einem Papier, das White Immobilien nachlieferte. Zum Vergleich: In der Schweiz sind 2 bis 3 Prozent üblich, in Deutschland 5 bis 7 Prozent.
saldo kennt fünf weitere Fälle, mit welchen White Immobilien insgesamt gut eine Million Euro als Provision einnahm. Tatsächlich musste Vanessa Maurer zwar wie versprochen kein Eigenkapital aufbringen, um die Wohnung zu kaufen. Die Vermittler schwatzten der unwissenden Schweizer Kundin aber ein kompliziertes Finanzierungskonstrukt auf, das als «Bausparsofortfinanzierung» bekannt ist: Eine deutsche Bank überwies die ganze Kaufsumme als Hypothek.
Diesen Betrag muss Maurer nun 30 Jahre lang über einen Bausparvertrag abbezahlen. Vor diesem Finanzierungsvehikel warnt seit kurzem zum Beispiel die Verbraucherzentrale in Deutschland.
Bis zur Pensionierung an Finanzierungsvertrag gebunden
Im Fall von Vanessa Maurer übersteigen die monatlichen Ausgaben für dieses Konstrukt die Einnahmen aus der Miete der Wohnung. Sie erhält heute 600 Euro Miete pro Monat, bezahlt aber für die Finanzierung der Wohnung 1313 Euro monatlich. Der Finanzierungsvertrag bindet sie bis zur Pensionierung. Dazu kommen 30 Euro Verwaltungskosten und 295 Euro für Rückstellungen und Betriebskosten der Wohnbaugemeinschaft.
Alles in allem legt Maurer jeden Monat 1038 Euro drauf. Versprochen wurde ihr, dass die Mieteinnahmen die Kosten mindestens decken würden, sagt Maurer. Andere Betroffene sprechen von einem ähnlichen Vorgehen von White Immobilien.
Als sie nachgefragt habe, ob die Mieteinnahmen tatsächlich die Kosten decken würden, habe man sie jeweils vertröstet, sagt Maurer. Sie könne zwar bald die Miete erhöhen. Doch sie müsste fast das Dreifache der heutigen Miete verlangen können, um die Ausgaben für die Wohnung zu decken.
«Das ist utopisch», sagt Thomas Beyerle, Professor für Immobilienwirtschaft an der deutschen Hochschule Biberach, der die Unterlagen von Maurer kennt. «Die Liegenschaft ist alt und bräuchte eine Komplettsanierung, um eine Mietzinserhöhung in dieser Grösse zu rechtfertigen.»
Die White Immobilien GmbH verspricht bei den vermittelten Objekten «grosses Wertsteigerungspotenzial». Beyerle hält die Annahme im Fall von Vanessa Maurer für unrealistisch: «Die Immobilie befindet sich an einem Coder sogar D-Standort.» Die Lage ist also schlecht bis mittelmässig.
Einige Kunden geraten in finanzielle Schieflage
Immerhin: Vanessa Maurer kann sich die monatlichen Mehrausgaben leisten. saldo sprach mit weiteren Betroffenen aus der Schweiz. Einige von ihnen zahlen mehrere Tausend Franken drauf und sind deshalb in eine finanzielle Schieflage geraten. Sie müssten wegen des Immobilienkaufs sogar mit einem Privatkonkurs rechnen.
Die White Immobilien GmbH hält fest, sie mache keine fixen Gewinnversprechen und nehme auch keine Provisionen. Zudem veräussere sie nur Objekte an A- oder B-Standorten.