Fleisch mit Bio- oder Tierwohllabel hat klare Vorteile gegenüber Produkten aus konventioneller Haltung. In der Regel enthält es mehr wertvolle Omega-3-Fettsäuren und weniger bis keine Antibiotika oder Hormone (saldo 19/2016). Zudem belastet die Produktion Tiere und Umwelt weniger als die konventionelle Massenzucht. Für diese werden grosse Mengen an Kraftfutter importiert. Die Tiere produzieren so viel Gülle, dass diese exportiert werden muss (saldo 3/2018).
Trotzdem wird in der Schweiz noch wenig Biofleisch verkauft. Laut dem Bundesamt für Landwirtschaft beträgt der Marktanteil beim Frischfleisch rund fünf Prozent. Zahlen für Tierwohllabels gibt es keine.
Bauern würden gern mehr Natura-Beef an Coop liefern. Aber im vergangenen September verhängte der Rinderzüchterverein Mutterkuh Schweiz einen Aufnahmestopp für Natura-Beef-Produzenten. Denn Hauptabnehmer Coop nehme keine zusätzlichen Mengen ab, sagt Ursula Freund von Mutterkuh Schweiz. Eine Coop-Sprecherin schreibt, der Fleischkonsum gehe in der Schweiz generell zurück. Deshalb habe man die Mengen anpassen müssen. Schuld sind also angeblich die Konsumenten, die auch das Labelfleisch verschmähen.
Bauern bei Biorindfleisch mit ein paar Rappen abgespiesen
Das hat einen Grund: Die Preise für Biofleisch sind im Laden im Durchschnitt 45 Prozent höher als bei konventionellem Fleisch. Bei Rindshackfleisch beträgt der Zuschlag 52 Prozent, bei Schinken 67 Prozent und bei Biopouletbrust sogar 160 Prozent. Diese Zahlen veröffentlichte das Bundesamt für Landwirtschaft im August 2019. Die Biozüchter und -mäster sehen von diesen Aufschlägen aber fast nichts – obwohl sie mit Labelfleisch viel Mehraufwand haben. Sie werden von den Händlern mit ein paar Rappen mehr abgespiesen. Der Schlachtviehpreis für ein Rind aus konventioneller Haltung betrug im vergangenen Jahr laut der Branchenorganisation Proviande im Durchschnitt Fr. 8.98 pro Kilo. Für Biorind erhielten sie Fr. 9.25 pro Kilo – ganze 3 Prozent mehr.
Greenpeace-Agrarexperte Philip Schenkel wirft Coop und Migros punkto Biofleisch «Doppelzüngigkeit» vor. In Werbekampagnen gäben sie sich grün, indem sie mit idyllischen Szenen aus der Bio- und Tierwohlhaltung werben. Doch würden sie überwiegend Fleisch aus konventioneller Massentierhaltung verkaufen. Schenkel ist überzeugt: «Coop und Migros könnten das Bio- und Tierwohlfleisch problemlos aus der Nische holen.» Sie verkaufen in der Schweiz zusammen bis zu 70 Prozent des Frischfleischs (saldo 6/2015).
Coop und Migros geben keine Auskunft über ihre Margen
Marco Staub vom Tierwohllabel KAG-Freiland fordert von den Grossverteilern, auf einen Teil ihrer überhöhten Marge zu verzichten und Labelfleisch günstiger anzubieten.
Auch Eva Wyss vom WWF kritisiert die Preispolitik der Grossverteiler: «Es ist unverständlich, dass diese bei tier- und umweltschonend produziertem Fleisch eine grössere Marge haben als bei konventionellem Fleisch.»
Coop und Migros wollen sich zur Handelsmarge nicht äussern. Coop behauptet, an Naturafarm-Produkten unter dem Strich nicht mehr zu verdienen als beim konventionellen Fleisch. Die Migros sagt, den Ökofleischkäufern «das beste Preis-Leistungsverhältnis zu bieten». Keiner nennt Zahlen.
Hühner und Kunden profitieren
Das Wohl der Tiere lässt sich mit einfachen Massnahmen fördern. Das macht die Migros bei den Eiern vor. In ihren Filialen in Basel, der Ostschweiz und Zürich verkauft sie keine Eier aus Bodenhaltung mehr – sondern nur noch Freilandeier. Die Migros will so die Lebensqualität der Hühner erhöhen. Denn Freilandhühner haben Auslauf ins Freie, bei der Bodenhaltung bleiben die Tiere im Stall (saldo 12/2018). Auch die Konsumenten profitieren: Sie zahlen pro Freilandei 50 Rappen, 10 Rappen weniger als bisher.