Die Zeitungen sind voller ganzseitiger Inserate von Easyjet, im Radio ertönen Werbespots: «Flugreisen bleiben ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens und vieler besonderer Momente», heisst es da. «Sie bringen uns in andere Länder, zu Verwandten und Freunden, zu Geschäftspartnern und ermöglichen es uns, andere Kulturen zu erleben.» Dann kommt das grosse Aber: «Doch Fliegen hat nachweislich Auswirkungen auf unseren Planeten. Das müssen wir kompensieren. Deshalb gleichen wir alle durch unsere Flüge verursachten CO2-Emissionen aus und investieren in Klimaschutzprojekte.» Easyjet entzieht der Atmosphäre nach eigenen Angaben gleich viel CO2, wie ihre Flieger ausstossen.
Das kostet die Airline 31 Millionen Franken pro Jahr – 7 Prozent des letztjährigen Gewinns von 438 Millionen. Die Airline kauft mit dem Geld Emissionsminderungszertifikate der Unternehmen First Climate und Ecoact. Sie versprechen, Projekte in Südamerika und Afrika zu finanzieren und den Menschen vor Ort zu helfen, dass weniger Wald abgeholzt wird. Ein Projekt in Indien soll Sonnenenergie für die Menschen nutzbar machen und den Verbrauch an Strom aus fossilen Energieträgern verringern.
Jährlich fliegen über 100 Millionen Passagiere mit Easyjet. Der Aufwand von 31 Millionen Franken für das Klima entspricht pro Easyjet-Flugticket einem Beitrag von 30 Rappen.
Für die Lufthansa und ihre Tochter Swiss sind sogar 30 Rappen pro Ticket zu viel. Wer mit diesen Airlines fliegt und ein gutes Gewissen haben will, muss die CO2-Kompensation aus dem eigenen Sack bezahlen. Obwohl allein die Swiss im Jahr 2018 einen Rekordgewinn von 636 Millionen Franken erwirtschaftete. Swiss-Kunden können den CO2-Ausstoss ihrer Reise mit einer Spende an Myclimate abgelten.
Für den Flug von Zürich nach New York weist der Swiss-Rechner für die Kompensation von 404 Kilo CO2 über Myclimate knapp 9 Franken aus. Diese Menge kann der Passagier mit dem Pflanzen von 2,4 Bäumen in einem Aufforstungsprojekt in Nicaragua ausgleichen. Für die Kompensation des verbrauchten CO2 braucht es allerdings zwanzig Jahre.
Bio-Kerosin: 200 Franken Zuschlag für Zürich–New York
Seit Mitte November haben Swiss- und Lufthansa-Reisende auch die Möglichkeit, beim Buchen einen Zuschlag für alternativen Bio-Treibstoff zu zahlen. Damit erzielen sie zumindest einen sofortigen Klimaeffekt. Mit dem Zuschlag zahlen die Passagiere laut Lufthansa die Differenz zwischen dem Preis für normales und Bio-Kerosin. Für den Flug Zürich–New York kostet das knapp 200 Franken. Lufthansa und Swiss versprechen, das gekaufte Bio-Kerosin innerhalb der nächsten sechs Monate in Frankfurt in den Flugbetrieb einzuspeisen.
Seit dem Start der Aktion kauften Passagiere laut einem Sprecher der Lufthansa-Gruppe 199 Tonnen Bio- Kerosin. Eine Boeing 747–800 verbraucht auf dem Flug von Frankfurt nach New York 96 Tonnen Kerosin. Bis jetzt haben die Passagiere also gerade einen einzigen Hin- und Rückflug von Frankfurt nach New York mit Bio-Kerosin finanziert.
Ein Liter normales Kerosin kostete Mitte Januar 46 Rappen, Bio-Kerosin knapp Fr. 1.50. Dies führt zu einer geringen Nachfrage und beeinflusst die Produktionskosten des Treibstoffs. Der weltweit grösste Hersteller von Bio-Kerosin ist die finnische Firma Neste, die zu 36 Prozent dem finnischen Staat gehört.
«Wir stellen jährlich 100 000 Tonnen regenerativen Flugkraftstoff aus Altspeiseöl und tierischen Abfallfetten her», sagt Sanna Hellstedt von Neste. «Schon im Jahr 2022 werden wir aber über Kapazitäten verfügen, um über 1 Million Tonnen aus erneuerbaren und nachhaltigen Rohstoffen zu produzieren», verspricht sie. Immer noch ein Klacks, wenn man bedenkt, dass allein die Lufthansa-Gruppe im Jahr 2018 total 10,2 Millionen Tonnen Kerosin verbrauchte.
Auch Bio-Treibstoffe haben Nachteile
Für Urs Neu von Proclim, einem naturwissenschaftlichen Forum für Klimathemen, ist Bio-Kerosin eine Alternative, wenn für die Herstellung nur Alt-öl, Fettabfälle und -Pflanzenabfälle verwendet werden. «Doch für die Herstellung von grossen Mengen, die zu einer spürbaren Reduktion der Treibhausgasemissionen führen könnten, ist auch die Verwendung von zu diesem Zweck angebauten Pflanzen wie Raps oder Palmöl notwendig», gibt er zu bedenken. Dabei entsteht eine Konkurrenzsituation zur Nahrungsmittelproduktion. Oder es werden dafür Waldflächen abgeholzt.
Kommt hinzu: «Die Emission von Stickstoff, Schwefeldioxid und Wasserdampf wird mit Bio-Kerosin kaum reduziert.» Stickstoff und Schwefeldioxid reagierten zusammen mit Wasser zu Säuren. Dies sei die Ursache für den sauren Regen, der dem Wald, den Menschen und Tieren schade. Stickstoffe können zudem zu Atemwegserkrankungen führen.
Auch der Wasserdampf ist problematisch. Urs Nau: «Er führt zur Sättigung und Kondensation der Umgebungsluft auf der Flugstrecke und damit zur Bildung von Kondensstreifen.» Diese bilden dann dünne, hohe Wolken. Sie haben eine ähnliche Wirkung wie Treibhausgase und tragen zu einer zusätzlichen Erwärmung der Atmosphäre bei.