Billiger Teebeutel besser als Nestlé-Edeltee
Die Teekapseln Special-T von Nestlé können geschmacklich kaum mit offenem Tee mithalten. Selbst ein Beuteltee schmeckt besser. Dies zeigt eine saldo-Degustation.
Inhalt
saldo 12/2012
16.06.2012
Letzte Aktualisierung:
19.06.2012
Sabine Rindlisbacher, Thomas Lattmann
Die Nespresso-Kapseln sind für Nestlé ein Riesenerfolg. Kein Wunder, schickt sich der Konzern an, mit dem Kapselsystem Special-T auch bequeme Teetrinker für sich zu gewinnen.
In der Werbung nimmt Nestlé den Mund reichlich voll: Das Unternehmen schwärmt von den «besten und raffiniertesten Tees der Welt aus Teeblättern von höchster Qualität» und einer Nestlé-Teemaschine, «so perfekt wie die anspruchsvollsten Tee-Exp...
Die Nespresso-Kapseln sind für Nestlé ein Riesenerfolg. Kein Wunder, schickt sich der Konzern an, mit dem Kapselsystem Special-T auch bequeme Teetrinker für sich zu gewinnen.
In der Werbung nimmt Nestlé den Mund reichlich voll: Das Unternehmen schwärmt von den «besten und raffiniertesten Tees der Welt aus Teeblättern von höchster Qualität» und einer Nestlé-Teemaschine, «so perfekt wie die anspruchsvollsten Tee-Experten».
Dafür müssen Kunden tief in die Tasche greifen: Für die Maschine verlangt Nestlé 139 Franken, eine Kapsel Special-T für eine einzige Tasse kostet 49 Rappen. Zur Auswahl stehen rund 25 Teesorten. Die meisten davon sind aromatisiert.
Hält Special-T, was die Werbung verspricht? saldo liess das Nestlé-Produkt gegen offene Tees aus Schweizer Teehäusern in Zürich, Bern, Winterthur, Luzern und Weinfelden TG antreten und von einer zehnköpfigen Jury bewerten (siehe Kasten auf Seite 22). Mit im Rennen war auch ein Twinings-Pfefferminz-Teebeutel für 16 Rappen.
Fünf offene Tees besser und zum Teil günstiger als Special-T
Resultat des Geschmacksvergleichs: Nestlé kocht auch nur mit heissem Wasser, Teegeniesser können auf die teuren Kapseln gut verzichten. Special-T schnitt einzig mit dem chinesischen Grüntee Oolong Fujian und dem aromatisierten Schwarztee mit Blättern Caramel-Gourmand aus Indien und Sri Lanka besser ab als die Konkurrenz.
Dagegen beurteilte die Jury gleich fünf Produkte aus den Teeläden besser als die Kapseln. Drei davon sind deutlich günstiger als Special-T (Ceylon Nuwara Eliya, Vanille Rooibos, Genmaicha). Den überraschendsten Sieg verbuchte der billige Twinings-Teebeutel Pure Peppermint: Mit der Gesamtnote 4,6 schnitt er klar besser ab als der Special-T Erfrischende Minze mit einer 4.
Auf den letzten Plätzen landeten die beiden Special-T Rooibos Bourbon (3,2) und Pai Mu Tan Finesse (3,7). Bei den offenen Tees kamen vor allem der Caramel-Schwarztee (3,4) und der Vanille Rooibos (3,6) schlecht weg.
Kapseln laut Jury «massentauglich», aber «ohne Höhepunkte»
Auffallend: Die Laien bewerteten die nicht aromatisierten Special-T meist etwas besser als die Experten. Dafür benoteten die Experten die aromatisierten Nestlé-Produkte etwas besser als die Laien. Insgesamt vergaben die Experten sechs und die Laien fünf Special-T eine ungenügende Gesamtnote.
Die Jury ist sich nach der Degustation einig: Niemand würde Special-T kaufen. Offener Tee sei charaktervoller, individueller, interessanter. Bei Special-T gebe es keine Höhepunkte, dafür sei er eher «massentauglich». Sensoriker Patrick Zbinden ist von Special-T «enttäuscht»: «Im Gegensatz zu Nespresso ist Special-T nicht von überragender Qualität.»
Deklaration: Bei Nestlé fehlen häufig die Herkunftsangaben
Offenbar ist selbst Nestlé nicht restlos vom Verkaufserfolg der Teekapseln überzeugt. Special-T ist zurzeit nur in der Schweiz und in Frankreich erhältlich. Eigene Shops wie bei Nespresso gibt es nicht. Teetrinker können die Kapseln nur via Telefon oder Internet bestellen. Die Mindestbestellmenge beträgt 80 Kapseln. Inklusive Lieferkosten blättern Kunden dafür rund 40 Franken hin. Wer telefonisch bestellt, zahlt weitere 5 Franken. Für die Bestellung braucht es eine Kreditkarte oder Postcard – eine Lieferung auf Rechnung ist nicht möglich.
So schwärmerisch Nestlé Special-T anpreist, so verschlossen zeigt sich der Konzern mit der Deklaration der Herkunft der Tees. Angaben dazu fehlen bei fast allen aromatisierten Tees auf den Verpackungen. Nestlé-Sprecher Philippe Aeschlimann behauptet: «Bei Aromatees ist die Herkunft für Konsumenten nicht relevant.»
Zu den Ergebnissen der Degustation sagt Aeschlimann: Special-T hätte in «repräsentativen Tests mit mindestens 150 Teilnehmern durchwegs gute Noten bekommen». Die Testberichte legt der Konzern aber nicht offen. Für die Tests seien «externe Firmen» zuständig gewesen. Ihr Aufraggeber: Nestlé.
So wurde degustiert
saldo lud fünf Experten und fünf Konsumenten in die Zürcher Hotelfachschule Belvoirpark ein. Sie degustierten in zehn Durchgängen je einen Kapseltee von Nestlé Special-T und je einen vergleichbaren offenen Tee aus einem spezialisierten Teehaus; zuletzt trat ein Beuteltee gegen Special-T an. Die Jury musste jeweils beide Produkte benoten und notieren, welches sie für den Kapseltee hielt. Dieser wurde mit Special-T-Maschinen gebrüht. Für die Zubereitung der offenen und des Beuteltees sorgte Angelika Huber, Belvoirpark-Fachlehrerin und Tee-Seminarleiterin.
Die Experten:
- Susanne Amsler, Besitzerin Teehaus Winterthur
- Marie-Louise Cezanne, Lebensmittelsensorikerin an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Wädenswil
- Meng-Lin Chou, Besitzerin Teehaus Shui Tang, Zürich
- Jürg Meier, Präsident Teeclub Schweiz
- Patrick Zbinden, Sensoriker und Food-Journalist
Die Konsumenten:
Ralf Kretzschmar, Alexander Meyer, Carole Patry, Norbert Raabe, Nicole Weiss