Biere von kleinen Brauereien munden am besten
saldo hat 14 Lagerbiere von Klein- und Grossbrauereien degustieren lassen. Das Resultat: Die charaktervollen Gerstensäfte der Kleinbrauereien haben die Nase vorn.
Inhalt
saldo 10/2008
27.05.2008
Thomas Lattmann
Der Konzentrationsprozess in der Schweizer Bierlandschaft geht weiter voran. Die Übernahme der Luzerner Eichhof-Brauerei durch den holländischen Bierkonzern Heineken ist bereits beschlossene Sache. Damit werden die Marktführer Heineken Switzerland AG und die vom dänischen Bierriesen Carlsberg übernommene Feldschlösschen Getränke AG 63 Prozent des Schweizer Biermarkts beherrschen.
Auf der anderen Seite existieren aber noch gegen 300 Klein- und Mitt...
Der Konzentrationsprozess in der Schweizer Bierlandschaft geht weiter voran. Die Übernahme der Luzerner Eichhof-Brauerei durch den holländischen Bierkonzern Heineken ist bereits beschlossene Sache. Damit werden die Marktführer Heineken Switzerland AG und die vom dänischen Bierriesen Carlsberg übernommene Feldschlösschen Getränke AG 63 Prozent des Schweizer Biermarkts beherrschen.
Auf der anderen Seite existieren aber noch gegen 300 Klein- und Mittelbrauereien. Als Gegenbewegung zu den Grossen sind in den letzten Jahren sogar viele neue Brauereien entstanden. Die Kleinen versuchen sich mit Lokalkolorit, Bio-Auszeichnung, Handarbeit, Tradition und Spezialitäten von den Grossen abzuheben. Trotzdem reicht es den Klein- und Mittelbrauereien nur für einen Marktanteil von rund 18 Prozent. Die restlichen 19 Prozent entfallen gemäss dem Schweizer Brauerei-Verband auf Importbiere aus dem Ausland.
Grossbrauerei-Bier: Nur Heineken in den vorderen Rängen
Biere von Kleinbrauereien haben Charakter und schmecken besser als die normierten Industriebiere der Grossen – das ist unter Bierliebhabern eine oft gehörte Behauptung. saldo wollte es genau wissen und hat eine Degustation mit Lagerbieren von je sieben Klein- und Grossbrauereien durchgeführt.
Die Jury setzte sich zusammen aus sechs Experten (siehe Bilder im pdf-Artikel) und zehn erklärten Bierliebhaberinnen und -liebhabern. Durchgeführt wurde die Blinddegustation im Zunfthaus am Neumarkt in Zürich. Alle 14 Biere wurden vorgängig 24 Stunden in den Kühlanlagen des Restaurants gelagert.
Das Resultat der Degustation: Offensichtlich schmecken die Gerstensäfte der Kleinen tatsächlich besser. Unter den ersten sechs Lagerbieren finden sich gleich fünf von kleinen und mittleren Brauereien. Von den Grossen hat einzig das Heineken-Bier die Phalanx der Kleinen knacken und auf den dritten Schlussrang vorstossen können. Heineken wird als «lecker» und «sehr ausgewogen» beschrieben.
Testsieger ist das naturtrübe Lagerbier der Appenzeller Brauerei Locher. «Würzig, frisch. Hat Tiefgang und schmeckt nach mehr», wird es etwa von Lars Hovind, Geschäftsführer von Goldküstenbräu, gelobt.
Auffällig: Die vier ungefilterten Biere im Test, nämlich Quöllfrisch, Wädi Bräu, Brauhuus hell und Unser Bier liegen alle innerhalb der ersten fünf Plätze. Bei der Mehrheit der saldo-Degustanten kommt diese Brauweise, bei der die Hefe und andere Rückstände im Bier belassen werden, sehr gut an.
Die Experten bewerteten diese Biere allerdings schlechter als die Bierliebhaber. Sie kritisierten den leicht säuerlichen Geschmack dieser Biere und die eher geringe Spritzigkeit. Für den ehemaligen Haldengut-Brauer Werner Stadler sind sie sogar «unreif».
Calanda und Coop Tell mit beinahe der gleichen Note
Von den klassischen Schweizer Lagerbieren hat das bei Heineken in Chur gebraute Haldengut am besten abgeschnitten. «Süffig und unkompliziert», charakterisiert es Gastrokritiker Andrin Willi. Die vier nachfolgenden Biere von Grossbrauereien, darunter das offizielle Euro-08-Bier Carlsberg, liegen sehr nah beieinander. Das hängt wohl damit zusammen, dass diese Biere sehr stark normiert und auf den Massengeschmack ausgerichtet sind. Das zeigen auch die Kommentare der Tester: «Industriebier», «Durchschnitt», «keine Kanten», «langweilig» oder «lieblos».
Erstaunlich: Das günstige Coop Tell und das viel teurere Calanda, die beide bei Heineken in Chur gebraut werden, haben fast die gleiche Gesamtnote erreicht. Ist es etwa dasselbe Bier? Heineken wehrt ab: Es handle sich um ganz verschiedene Rezepturen, und auch bei der Qualität der Rohstoffe gebe es erhebliche Unterschiede.
Auf dem zweit- und drittletzten Platz (Felsenau, Einsiedler Lager) finden sich zwei weitere Biere von Kleinbrauereien. Diese konnten die Tester aber nicht überzeugen. Auf den letzten Rang setzten Experten wie auch Bierliebhaber das Lager der Brauerei Eichhof: «Flach», «bieder», «mutlos», «fast ungeniessbar» oder «da muss man grossen Durst haben», lauten die wenig schmeichelhaften Bemerkungen zu diesem Gerstensaft.
Einsiedler, Eichhof: Schlechter Rang enttäuscht Brauer
Die Eichhof-Brauerei kann sich das schlechte Abschneiden ihres Biers «nicht erklären» und ist «mehr als erstaunt». Die Brauerei weist darauf hin, dass sie für ihr Lagerbier schon mehrere Auszeichnungen erhalten hat, darunter auch einen «Silbernen Preis» der renommierten Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft.
Auch Rosengarten-Braumeister Alois Gmür kann sich nicht erklären, weshalb das Einsiedler Lager bloss den zweitletzten Platz erreicht hat. «Das tut mir weh», sagt er. Bei Tests im Labor Veritas in Zürich schneide das Bier sonst immer sehr gut ab. Vielleicht seien die getesteten Flaschen nicht korrekt gelagert worden, mutmasst er.
Brauerei Locher setzt Geschmack vor Haltbarkeit
Freude herrscht hingegen bei der Testsiegerin Brauerei Locher: Der technische Brauleiter Karl Locher ist entzückt, dass ein Bier «mit Ecken und Kanten» gewonnen hat und nicht ein «McDonald’s-Bier für die Masse». Ganz bewusst habe die Brauerei Locher damit angefangen, Biere nicht mehr zu filtrieren. Dadurch sinke zwar die Haltbarkeit, dafür blieben der Geschmack und wichtige gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe besser erhalten.
Für die Wädi-Brau-Huus AG ist der zweite Platz ihres hellen Bieres eine Bestätigung dafür, «dass es sich lohnt, auf biologische Rohstoffe, Handarbeit und Herzblut zu setzen».
Nach Meinung der Heineken Switzerland AG widerlegt der dritte Rang ihres Heineken Premium-Biers das mancherorts herrschende Vorurteil, «dass grosse Brauereien kein Bier mit individueller Geschmacksnote produzieren können». Die guten Resultate der Kleinen werden von Heineken begrüsst: «Das belebt die Biervielfalt in der Schweiz.»
Die Feldschlösschen Getränke AG beschränkt sich in ihrer Stellungnahme darauf zu betonen, dass Feldschlösschen seit über hundert Jahren das meistgetrunkene Bier der Schweiz und Carlsberg-Bier weltweit bekannt und beliebt sei.
Tipps zur Aufbewahrung von Bier
Wie mundet das Bier am besten? saldo gibt Ratschläge rund um die Lagerung von Bier.
- Je frischer ein Bier ist, desto besser schmeckt es.
- Bier sollte – im Gegensatz zu Wein – stehend gelagert werden, und zwar an einem kühlen und dunklen Ort. Das kann im Keller oder im Kühlschrank sein. Die ideale Lagertemperatur liegt zwischen 6 und 10 Grad.
- Das auf den Flaschen aufgedruckte Haltbarkeitsdatum bedeutet, dass das Bier mindestens bis zu diesem Tag einwandfrei bleibt. Wird der Gerstensaft aber falsch gelagert (zum Beispiel am Sonnenlicht), können schon vor dem Ablaufdatum sogenannte Fehlaromen entstehen.
- Von abgelaufenen oder geschmacklich veränderten Bieren geht nie eine Gesundheitsgefährdung aus. Der Hopfen, die Kohlensäure und der Alkohol im Bier verhindern die Entwicklung schädlicher Keime.
- Wird Bier direkt aus einer Aludose getrunken, schmeckt es weniger gut als aus einer Glasflasche. Wenn Dosenbier aber in ein Trinkglas umgegossen wird, verschwindet der als metallisch empfundene Fremdgeschmack.
- In Pet-Flaschen sollte Bier nur kurze Zeit aufbewahrt werden. Der Kunststoff ist nämlich durchlässig, was zur Folge hat, dass Kohlensäure austritt und Sauerstoff eindringt. Das verändert den Geschmack des Biers.