Die Auswahl an Lagerbieren ist riesig, die Geschmäcker sind verschieden und die Preise sehr unterschiedlich. Doch welche Biere finden am meisten Zuspruch, wenn sie blind degustiert werden? saldo lud vier Experten und acht Laien ein. Auf den Tisch kamen je vier Produkte von Grossbrauereien, Klein- und Mittelbrauereien sowie Eigenmarken der Grossverteiler.
Das Prix-Garantie-Bier schmeckte den Laien überhaupt nicht
Gebraut wurden die Produkte in der Schweiz, in Deutschland, Frankreich und Belgien. Lagerbiere sind mild gehopft und werden bei tiefen Temperaturen in Metalltanks gelagert. Sie sind laut Schweizer Brauerei-Verband die meistverkauften Biere in der Schweiz.
Das Ergebnis: Experten und Laien haben sehr unterschiedliche Vorstellungen von einem guten Lagerbier.
- Bei den Experten schnitt Heineken am besten ab. Bei den Laien schaffte es das Industriebier nur auf den 7. Platz.
- Auf den zweiten Rang setzten die Experten das Prix-Garantie-Bier. Die Laien verwiesen das Coop-Produkt auf den letzten Platz.
- Am drittbesten kam Schützengarten bei den Experten weg. Bei den Laien nimmt das Bier aus St. Gallen erst den 10. Platz ein.
- Klarer Sieger bei den Laien ist das Winterthurer Chopfab Draft. Bei den Experten belegt das Produkt den zweitletzten Platz.
- Die Laien setzten Calanda und Rugenbräu aus Interlaken auf den zweiten und dritten Platz. Bei den Experten kamen diese beiden Produkte nur auf den siebten und achten Platz.
Quöllfrisch Hell: Bei beiden Gruppen auf Rang 6
Bei der letzten saldo-Bierdegustation schnitt Quöllfrisch Naturtrüb aus dem Appenzell insgesamt am besten ab. Die Experten setzten es auf den zweiten Platz, die Laien auf den ersten (saldo 10/08). Jetzt, sechs Jahre später, belegt Quöllfrisch Hell bei beiden Gruppen den 6. Platz. Karl Locher von der Brauerei Locher erstaunt dies nicht: «Quöllfrisch Naturtrüb wirkt dank fehlender Filtration und spezieller Lagerung vollmundiger und fruchtiger als Quöllfrisch Hell.» Letzteres könnte mit seinen feinen Aromen neben Bieren mit starken Aromen untergehen.
Kaum jemand erkannte die einzelnen Marken
saldo wollte von den Degustierenden jeweils auch wissen, ob sie das Bier kennen, das sie gerade trinken. Pikant: Beim Tippen auf den Bierhersteller lagen die Jury-Mitglieder praktisch ausnahmslos falsch. Ein Experte tippte bei dem von ihm kritisch bewerteten Calanda auf Prix Garantie. Das Prix-Garantie-Bier benotete er aber mit der guten Note 5,3. Ein Laie gab Gralsburg von Lidl schlechte Noten und tippte auf Chopfab. Chopfab Draft benotete er dagegen mit 5,7. Ein Laie gab als einziger einen richtigen Tipp ab – beim Feldschlösschen-Bier.
So wurde degustiert
Vier Experten und acht regelmässige Biertrinker degustierten in zwölf Durchgängen je ein Dosenbier. Das Bier kam in Gläsern auf den Tisch, sodass die Jury nicht wusste, welches Produkt sie trank. Die Teilnehmer mussten jeweils sechs Kriterien benoten: Aussehen, Geruch, Geschmack, Bittere, Spritzigkeit, Nachtrunk. Daraus ergab sich pro Bier und Jurymitglied eine Gesamtnote mit folgender Gewichtung: je 10 Prozent für Aussehen und Geruch, 35 Prozent für Geschmack und je 15 Prozent für Bittere, Spritzigkeit und Nachtrunk.
- Die Experten: Hartmuth Attenhofer, Generalsekretär der Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt; Anton Flükiger, Dipl. Biersommelier; Richi Leder, Inhaber Sios Homebrew Shop; Laurent Mousson, Juror World Beer Cup, Ex-Vizepräsident European Beer Consumer Union.
- Die Laien: Thomas Benninger, Brigitta Favero, Urs Haerden, Marcel Keller, Ralf Kretzschmar, Michael Reutlinger, Sarah Seiler, Eliane Stoll.
Produktion: Grossbrauereien verwässern das Bier
Grossbrauereien wie die holländische Heineken stellen ihr Lagerbier aus Konzentrat her und verdünnen es mit Wasser. Zu Heineken gehören in der Schweiz unter anderem Calanda und Eichhof. Der grösste Schweizer Bierproduzent ist die Feldschlösschen-Gruppe – unter anderem mit Cardinal und Hürlimann. Sie gehört zum dänischen Carlsberg-Konzern. Feldschlösschen spricht zwar von einem «selbst entwickelten Produktionsverfahren», dementiert aber nicht, dass es sich dabei ebenfalls um ein Konzentratverfahren handelt.
So funktioniert es: Vor dem Abfüllen verdünnen Grossbrauereien das Konzentrat mit einem Alkoholgehalt von 8 bis 10 Volumenprozent mit Wasser, bis das Bier einen niedrigeren Alkoholgehalt von zum Beispiel 4,2 Prozent aufweist. Das Verfahren nennt sich High Gravity. Wird das Bier als Konzentrat vergoren, gereift und gelagert, kann eine Brauerei mit derselben Lagerkapazität rund 30 Prozent mehr Bier produzieren. Das spart Geld.
Bei diesem Brauprozess entstehen andere Gärnebenprodukte. Die Hefe wirkt in einem Tank mit 9 Prozent Alkohol anders als in einem mit knapp 5 Prozent. «Ob ein Bier im High-Gravity-Verfahren gebraut wird oder nicht, macht qualitativ und geschmacklich keinen Unterschied», sagt Heineken-Sprecher Jan Freitag. Bierexperten wie Laurent Mousson sowie kleinere Brauereien sehen das anders: «Die Anwendung von High Gravity ist mit einer negativen Veränderung der Biercharaktere verbunden», so Reto Preisig, Chef der St. Galler Brauerei Schützengarten. «High Gravity würde den Geschmack unseres Bieres verändern», sagt auch Karl Locher von der Appenzeller Brauerei Locher. Man mache keine Verdünnungen. Rugenbräu aus Interlaken sagt, man wende das Verfahren «aus qualitativen Gründen» nicht an. Und die Winterthurer Brauerei Doppelleu ergänzt: «Das tun wir nicht. Unsere Biere würden so zu ähnlich schmecken.»