Für diese Verhandlung reicht ein kleiner Gerichtssaal. Anwesend sind nur der Kläger, die Einzelrichterin und die Gerichtsschreiberin. Vom beklagten deutschen Händler ist weit und breit nichts zu sehen. Und das ohne Entschuldigung.
Folge: Das Gericht kann das Urteil aufgrund der Klageschrift und der mündlich vorgebrachten Angaben des Kunden fällen. Das teilt die Einzelrichterin dem Kläger gleich zu Beginn mit. Der 52-Jährige fordert vom Lieferanten 8800 Franken – 4100 Franken als Rückerstattung für den zum Voraus überwiesenen Kaufpreis und 4700 Franken als Schadenersatz.
Die Stimmungslage des Käufers schwankt zwischen erbost und ernüchtert. Er suchte für seine Liegenschaft mit 2700 Quadratmetern Rasenfläche einen leistungsfähigen Mäher. Als beste Lösung erwies sich ein sogenannter Aufsitzmäher – ein Mäher, der einem kleinen Traktor gleicht. Das ausgewählte Modell der Marke Husqvarna versprach mit einem Meter Mähbreite zügiges Arbeiten.
In der Schweiz kostete dieses Modell über 6000 Franken. Bei einer Recherche im Internet stiess der Kläger auf Händler in Deutschland, die einen Drittel weniger verlangen. Handelseinig wurde er mit einem Shop namens Forsttec. Die Website wirkte seriös. Forsttec bot jedes erdenkliche Gerät im Bereich Forst und Garten an. Das Logo des schwedischen Herstellers Husqvarna vermittelte Seriosität.
Man vereinbarte eine Lieferung ins grenznahe deutsche Stein-Säckingen. Verzollung und Import in die Schweiz wollte der Käufer übernehmen. Nach Vorlegen der vom Zoll abgestempelten Rechnung hätte ihm der Händler die deutsche Mehrwertsteuer erlassen.
Der richtige Gerichtsstand wäre Deutschland
«Doch der Herr ist einfach untergetaucht», erzählt der Käufer der Einzelrichterin. Forsttec habe zwar noch den Eingang der Zahlung bestätigt. Aber das Gerät wurde nie geliefert. Zuerst sei der Liefertermin «wegen grosser Nachfrage» hinausgeschoben worden, später sei niemand mehr erreichbar gewesen. Der Kunde mahnte schriftlich und setzte eine letzte Frist. Dann forderte er das Geld zurück. Als auch das nichts fruchtete, reichte er im Juli 2012 Klage ein. Der Beklagte erschien schon zur Schlichtungsverhandlung nicht.
Zweieinhalb Jahre später findet nun die Verhandlung vor dem Regionalgericht Berner Jura-Seeland statt. Doch ist es überhaupt zuständig? Nein, der richtige Gerichtsstand wäre eigentlich nicht Biel, sondern Deutschland. Denn sowohl der Wohnort des Beklagten wie auch der Ort der Lieferung liegen in Deutschland, erklärt die Richterin. Doch er hat Glück: Ein internationales Übereinkommen erlaubt bei Konsumentenverträgen eine Klage an deren Wohnort. Diese Hürde ist also geschafft.
Als Schadenersatz fordert der Kläger zusätzlich zum Kaufpreis 4700 Franken – für Umtriebe und weil er anderswo einen Mäher kaufen musste. Damit kommt er nicht durch: Den Preis des Mähers könne er nicht als Schaden geltend machen, belehrt ihn die Richterin. Ebensowenig die Ausgaben für das Schlichtungsverfahren, denn die Verfahrenskosten würden separat geregelt. Und bei den Kosten für die Miete eines Ersatzmähers fehle eine Rechnung oder ein anderer Beleg.
Händler muss die vorausbezahlte Summe zurückerstatten
Schliesslich verurteilt das Gericht den deutschen Händler zur Rückzahlung der vorausbezahlten Summe von 4100 Franken zuzüglich 5 Prozent Zinsen. Zudem muss er dem Kunden 1000 Franken für die Gerichtskosten und 360 Franken für das Schlichtungsverfahren zurückerstatten.
Dieses Urteil muss in Deutschland vollstreckt werden. Wie viel der Kunde von den 5460 Franken erhalten wird, steht in den Sternen. Über den Händler ist in Deutschland der Konkurs eröffnet worden. Das Husqvarna-Logo soll er verwendet haben, obwohl ihm Husqvarna dies untersagt hatte. Auch viele weitere nicht belieferte Kunden fordern ihr Geld zurück.
Prozessieren
Gerichtskosten: Stossende Vorschusspflicht für Kläger
Seit 2011 verlangen die meisten Gerichte in der Schweiz die voraussichtlichen Gerichtskosten als Vorschuss von der klagenden Partei.
Diese Regelung schreckt Kläger ab. Denn klagende Parteien laufen so Gefahr, die Verfahrenskosten selbst dann tragen zu müssen, wenn die Klagen gutgeheissen werden.
Im vorliegenden Fall hate der Kläger zuerst 360 Franken für das Schlichtungsverfahren zu zahlen und dann 1000 Franken vorzuschiessen für die Kosten des Prozesses vor dem Berner Regionalgericht.
Diese 1000 Franken muss laut Urteil zwar der Beklagte zahlen. Das nützt dem Kläger aber nichts, denn über den Internet-Händler wurde der Konkurs eröffnet.
Fazit: Neben den 4100 Franken für einen nie gelieferten Rasenmäher muss der erfolgreiche Kläger jetzt auch noch die Gerichtsspesen von 1360 Franken selbst bezahlen.