Es begann im letzten Herbst. Der 56-jährige Markus Baeriswyl aus Heitenried FR hatte jede Nacht Schmerzen in der linken Schulter. «Ich konnte nicht mehr auf der Seite schlafen», erinnert er sich. Mit der Zeit wurde die Schulter immer unbeweglicher. Baeriswyl: «Besonders schmerzhaft war das Anziehen der Kleider.» Er konnte seinen Arm kaum noch nach hinten oder nach oben drehen. Der Arzt stellte eine «Frozen Shoulder» fest – eine «eingefrorene» Schulter. Dabei entzündet sich die Gelenkkapsel. Mit der Zeit verdickt das Gewebe, die Kapsel schrumpft und die Schulter wird steif.
Markus Baeriswyl ist kein Einzelfall. Die steife Schulter ist eine häufige Krankheit. Rund eine von fünzig Personen erkrankt daran, vor allem Leute im Alter zwischen 40 und 60. Das kann nach Verletzungen oder Operationen passieren – oft jedoch ohne jeden erkennbaren Grund.
Die Krankheit dauert lange: meist ein, zwei Jahre oder mehr. Patienten versuchen in dieser Zeit alle möglichen Therapien. Doch nur wenige helfen nachweislich. Das zeigt jetzt eine neue Übersichtsstudie des renommierten Fachblatts «Journal of the American Medical Association». Die Forscher der schottischen Universität Glasgow analysierten 65 Studien mit insgesamt über 4000 Teilnehmern.
Am besten wirkt Kortison. Es bekämpft die Entzündung in der Gelenkkapsel und vermindert die Schmerzen. Samy Bouaicha, Leitender Arzt an der Universitätsklinik Balgrist in Zürich, rät zu Spritzen: «Sie wirken in der Regel besser und verursachen weniger Nebenwirkungen als Kortisontabletten.» Allerdings solle man die Spritzen nicht zu häufig machen, so Bouaicha. Sonst könne es zu einem Infekt kommen, weil Kortison ins lokale Immunsystem eingreift.
Zudem sind die Spritzen nur zu Beginn sinnvoll, wenn die Schulter entzündet ist und schmerzt. Dann braucht es manchmal auch Schmerzmittel, die gegen Entzündungen wirken. Dazu gehören Tabletten mit Wirkstoffen wie Ibuprofen oder Celecoxib. Allerdings sollte man sie wegen der Nebenwirkungen nicht über lange Zeit regelmässig schlucken.
Erst wenn der Schmerz bessert, empfiehlt sich Physiotherapie
Physiotherapie nützt zu Beginn der Krankheit wenig. Im Gegenteil: Es kann sogar schaden, wenn man die Schulter zu früh und zu intensiv behandelt. Physiotherapeutin Bettina Haupt-Bertschy vom Inselspital Bern sagt: «Solange das Gelenk entzündet ist und das Bewegen schmerzt, sollte man die Finger davon lassen.» Dann können allenfalls Entspannung, leichte Massagen und Wärme guttun.
Physiotherapie ist erst dann sinnvoll, wenn die Schmerzen nachlassen. Dann hilft sie, die Schulter mit gezielten Handgriffen und Übungen langsam wieder beweglicher zu machen. Physiotherapeut Willi Edelmann vom Spital Zollikerberg ZH: «Die Therapie muss sich ganz nach dem einzelnen Patienten und dem Stadium der Krankheit richten.» Es gebe kein Programm, das allen helfe.
Akupunktur, Osteopathie und Stosswellen umstritten
Bei den meisten anderen Behandlungen ist der Nutzen fraglich. Bei Akupunktur gibt es lediglich einzelne Hinweise, dass sie die Schmerzen ein wenig lindert. Unklar ist auch, ob Osteopathie hilft, eine alternative Therapie mit sanften Handgriffen. Umstritten ist das Behandeln der Schulter mit Stosswellen. Arzt Bouaicha rät davon ab: «Diese meist schmerzhafte Therapie lindert die Beschwerden ungenügend.» Sie könne zudem die Entzündung wieder anfachen.
Nicht zu empfehlen ist die Mobilisation unter Narkose, bei der der Arzt die betäubte Schulter bewegt und so versucht, die Steife zu durchbrechen. Dabei kann es zu Verletzungen an Knochen und Sehnen kommen.
Eine Operation ist meist unnötig. Laut Bouaicha kann diese dann sinnvoll sein, wenn nach ein bis zwei Jahren die Schulter zwar nicht mehr entzündet, aber immer noch sehr steif ist. In den meisten Fällen braucht die Krankheit aber einfach viel Geduld. Dann heilt sie von selbst. Patient Markus Baeriswyl ist optimistisch. Er macht regelmässig Übungen zu Hause: «Ich kann die Schulter schon wieder besser bewegen.»