Benzin: Autofahrer zahlten letztes Jahr 1 Milliarde zu viel
Ein Liter Bleifrei müsste eigentlich 20 Rappen billiger sein. Doch Börsenspekulationen treiben den Preis in die Höhe. Banken und Investmentfonds sind die Gewinner.
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saldo 08/2010
25.04.2010
Letzte Aktualisierung:
27.04.2010
Eric Breitinger
Weil Banken und Investmentfonds den Preis für Rohöl an den Börsen seit Januar 2009 massiv in die Höhe getrieben haben, kostet der Liter Benzin 20 Rappen zu viel. Dieses Fazit zieht ein Gutachten des Hamburger Erdölexperten Steffen Bukold für die deutschen Grünen, das saldo vorliegt. So hat sich der Ölpreis in 16 Monaten mehr als verdoppelt – von rund 40 US-Dollar auf 85 US-Dollar je Fass Anfang April. Dieser Preiszuschlag geht laut dem Gutachten v...
Weil Banken und Investmentfonds den Preis für Rohöl an den Börsen seit Januar 2009 massiv in die Höhe getrieben haben, kostet der Liter Benzin 20 Rappen zu viel. Dieses Fazit zieht ein Gutachten des Hamburger Erdölexperten Steffen Bukold für die deutschen Grünen, das saldo vorliegt. So hat sich der Ölpreis in 16 Monaten mehr als verdoppelt – von rund 40 US-Dollar auf 85 US-Dollar je Fass Anfang April. Dieser Preiszuschlag geht laut dem Gutachten von Bukold zu einem erheblichen Teil auf Börsenspekulationen zurück.
Der Rohölpreis hätte eigentlich stagnieren oder fallen müssen. Denn laut dem Gutachten gab es 2009 ein Überangebot an Rohöl, während die Nachfrage wegen der Wirtschaftskrise einbrach. Der Preis stieg trotzdem. Der Grund: Laut Bukold kauften Finanzinvestoren wie Hedge-Fonds und Banken im grossen Stil an den Börsen sogenannte Öllieferkontrakte. Mit diesen sichert sich der Käufer auf dem Papier eine bestimmte Menge Öl, die erst noch gefördert werden muss.
In der Praxis dienen Ölkontrakte oft dazu, Wetten auf steigende Preise abzuschliessen. Der Händler kauft auf dem Papier günstig Öl und verkauft den Kontrakt weiter, sobald der Rohölpreis gestiegen ist.
Rohöl: 35 Prozent Spekulationsprämie auf jedem Fass
Dem Gutachten zufolge boomt der Handel mit diesen Ölkontrakten. An einem Handelstag würden an den massgeblichen Rohstoffbörsen in New York und London auf dem Papier im Schnitt 1,1 Milliarden Fass Rohöl im Wert von 93 Milliarden US-Dollar gekauft und verkauft. Das Volumen der Kontrakte sei dreizehnmal grösser als die tatsächlich geförderte Menge Rohöl.
Solche Börsenwetten beeinflussen den Preis. Laut Bukold haben «kurzfristige Spekulationen das Fass Rohöl seit Januar 2009 um 8 bis 12 US-Dollar verteuert», langfristige Spekulationen schlügen mit «zusätzlich 17 bis 23 US-Dollar» zu Buche. Der aktuelle Rohölpreis von 85 US-Dollar pro Fass enthält gemäss den Berechnungen eine «Spekulationsprämie» von 30 US-Dollar, also satten 35 Prozent.
Der künstlich hochgetriebene Rohölpreis macht sich auch für die Schweizer Konsumenten an der Zapfsäule bemerkbar: Im März 2010 kostete ein Liter Bleifrei an der Tankstelle laut Bundesamt für Statistik im Schnitt Fr. 1.66, das sind 32 Rappen mehr als im Januar 2009. Ein Anteil des Aufpreises geht Bukold zufolge auf gestiegene Kosten, etwa für Transport, Wechselkurse und Raffinierung zurück.
Zirka 20 Rappen des Preiszuschlags sind laut Bukold eine Folge der Öl-spekulationen. Schliesslich lag der europäische Grosshandelspreis für einen Liter Rohöl Anfang April bei ca. 60 Rappen. Dabei hätte der Preis vom Rohölangebot und der Nachfrage her eigentlich auf dem Niveau des Frühjahrs 2009 verharren müssen, bei rund 40 Rappen.
Handel mit Ölkontrakten kam erst in den letzten Jahren auf
Laut der Erdöl-Vereinigung wurden in der Schweiz letztes Jahr privat 4,7 Milliarden Liter Benzin und 240 Millionen Liter Diesel verbraucht. Demnach haben die Schweizer Autofahrer 2009 knapp 1 Milliarde zu viel für ihren Sprit gezahlt. Diese gigantische Summe strichen vor allem Spekulanten wie Banken und Investmentfonds ein.
Schweizer Experten halten die Ergebnisse der Studie für plausibel. Für den Börsenexperten Rolf Biland vom VZ Vermögenszentrum ist klar: «Spekulative Kräfte führen immer wieder zu Verzerrungen bei den Rohstoffpreisen.» Laut Beobachtern hätten Finanzinvestoren bereits 2008 den Ölpreis durch Wetten in die Höhe getrieben.
Auch Rolf Hartl, Geschäftsführer der Schweizer Erdölvereinigung, geht davon aus, dass «Finanzinvestoren über den Hebel der Ölkontrakte den Rohölpreis stark beeinflussen». Dies sei in den Neunzigerjahren noch nicht der Fall gewesen. Hartl hält es jedoch für schwer abzuschätzen, um wie viel genau «Finanztransaktionen» den Benzinpreis erhöhten.