An der Benzintankstelle ist es einfach: Einen leeren Sechzig-Liter-Tank füllt man an der Zapfsäule mit sechzig Litern Treibstoff. Anders ist es beim Laden eines Elektroautos: Wer einen Sechzig-Kilowattstunden-Akku vollladen muss, bezieht und bezahlt immer mehr als 60 Kilowattstunden (kWh) Strom. Solche Ladeverluste sind unvermeidbar. Der Hauptgrund dafür liegt beim Stromnetz. Dieses funktioniert mit Wechselstrom – die Akkus können aber nur Gleichstrom speichern. Deshalb muss beim Laden Wechselstrom aus dem Stromnetz in Gleichstrom umgewandelt werden.
Diese Umwandlung braucht Energie. Es steht also nicht die gesamte bezogene Strommenge fürs Autofahren zur Verfügung – ein Teil geht bei der Umwandlung verloren. Schnell ladende öffentliche Säulen ab 50 Kilowatt tanken die Wagen mit Gleichstrom. Stromumwandlung und -verlust finden jeweils in der Ladesäule statt. Unklar war bisher: Müssen die Autofahrer die Verluste bezahlen?
Um dies herauszufinden, mass saldo, wie viel Strom ab Ladestation geliefert wurde. Die gemessene Lieferung wurde mit der Strommenge verglichen, die den Fahrern in Rechnung gestellt wurde. Das Resultat: Die meisten der sechs überprüften Schweizer Schnellladestationen liefern sogar ein bisschen mehr Strom, als sie den Kunden belasten – die Stromlieferanten übernehmen also den Verlust.
Das grösste Plus zugunsten des Elektroautofahrers gab es mit 6,8 Prozent an der Raststätte Grauholz BE. Dort kommt die ABB-Ladesäule Terra HP CP500 C2 des europaweiten Ladenetzwerks Ionity zum Einsatz.
An den anderen überprüften Ladestationen betrug die Abweichung zwischen 0,2 bis 1,7 Prozent. Nur beim Alpitronic-Hypercharger HYC 300 in Däniken SO des eCarUp-Verbunds gab es keine Abweichung.
Betreiber kompensieren Verluste mit hohen Strompreisen
Um die Umwandlungsverluste dennoch auf die Kunden überwälzen zu können, verlangen die Betreiber hohe Strompreise. Bei Ionity zum Beispiel kostet 1 kWh Strom 79 Rappen. Das ist fast dreimal so viel, wie 1 kWh zu Hause kostet.
In der eigenen Garage setzen Elektroautofahrer Heimladestationen ein, sogenannte Wallboxen. Diese laden mit Wechselstrom. Auch hier braucht es Strom für die Umwandlung: Diese findet aber – anders als bei den öffentlichen Ladesäulen – im Auto statt. Die so entstehenden Verluste ermittelte der deutsche Automobilclub ADAC bei 60 verschiedenen Elektroautomodellen.
Die Unterschiede waren zum Teil gross. Ein Beispiel: Um die 105-kWh- Batterie des neuen BMW «iX» zu füllen, müssen 125,2 kWh Strom geladen werden. Der Verlust beträgt also 20 kWh. Pro BMW-Vollladung kostet das zusätzlich Fr. 5.35.
Zu heisse und zu kalte Akkus brauchen viel Strom
Dass es auch anders geht, zeigt Audi mit seinem Modell «e-tron GT quattro»: Beim Aufladen der 83,7-kWh-Batterie beträgt der Verlust nur gerade 3,2 kWh oder 85 Rappen. So lässt sich der Umwandlungsverlust kleiner halten:
Zu heisse oder zu kalte Akkus verbrauchen viel Strom. Die optimale Akku-Temperatur fürs Laden liegt gemäss ADAC zwischen 20 und 40 Grad Celsius. Bei einigen Elektroautos ist es möglich, den Akku vor dem Stromtanken auf die optimale Ladetemperatur einzustellen.
Beim Laden mit Wechselstrom zu Hause gilt die Faustregel: Je höher die Ladeleistung, desto kürzer der Ladevorgang und desto geringer der Umwandlungsverbrauch. So dauert zum Beispiel das Vollladen eines Renault Zoe an einer gewöhnlichen Steckdose fast 30 Stunden. Dabei braucht es 24 Prozent mehr Strom, als der Akku des Autos fassen kann.
Beim Laden mit einer Wallbox dauert der Ladevorgang beim Renault Zoe rund 4,5 Stunden und benötigt nur 10 Prozent mehr Strom. Es empfiehlt sich darum, an der Heimladestation stets mit maximaler Ladeleistung Strom zu tanken («K-Tipp» 13/2020).
So wurde getestet
- Öffentliche Ladestationen: saldo überprüfte in einer Stichprobe sechs öffentliche Ladestationen: fünf schnelle Gleichstromladesäulen und eine langsamere Wechselstromsäule. Die Messungen wurden in Zusammenarbeit mit dem Messtechnikunternehmen Zera in Königswinter am Rhein (D) durch geführt. Gemessen wurde mit dem Zera-Gerät «EMOB200» für Wechsel- und Gleichstromladestationen. Dabei handelt es sich um eines der ersten Prüfgeräte für Ladestationen überhaupt.
- Wallbox für zu Hause: Der deutsche Automobilclub ADAC überprüft regelmässig Ladeverluste bei einzelnen Automodellen. Dabei werden alle Testwagen mit Wechselstrom über das Ladekabel des Fahrzeugs an einer 22-kW-Wallbox zu Hause geladen. Dies findet stets bei exakt 23 Grad Celsius statt. So können die jeweils maximal vom Bordladegerät unterstützten Ladeleistungen erreicht werden.