Anfang November 2017 fliegt ein Ehepaar aus Lichtensteig SG mit der Lufthansa von Zürich nach Südindien. Beim Umsteigen in Frankfurt verpasst es unverschuldet den Anschlussflug und trifft mit zehn Stunden Verspätung in Indien ein. Nach der Rückkehr verlangt das Paar von der Lufthansa per E-Mail eine Entschädigungszahlung. Die Airline antwortet, man habe viele Anfragen, es werde eine Weile dauern. Trotz mehreren Nachfragen geschieht über Wochen nichts, ein Einschreiben lässt die Lufthansa unbeantwortet. Als saldo sich Ende März einschaltet und von Lufthansa eine Stellungnahme verlangt, geht es plötzlich schnell: Noch am selben Tag meldet sich eine Angestellte in Lichtensteig und kündigt die sofortige Zahlung von 1392 Franken an.
Gegenüber saldo sagt die Lufthansa, Gewitter, Hurrikans und Streiks hätten im zweiten Halbjahr 2017 zu ungewöhnlich vielen Entschädigungsforderungen geführt. Im November habe man personell aufgestockt.
Das ist kein Einzelfall. Viele Airlines drücken sich sogar gänzlich um Entschädigungen. Sie behaupten beispielsweise, sie hätten die Verspätung nicht verschuldet. Oder sie reagieren gar nicht erst auf die Forderungen ihrer Kunden.
Dabei ist die rechtliche Lage klar: Fluggesellschaften schulden den Passagieren gemäss der europäischen Verordnung über die Fluggastrechte bei Annullierungen oder Verspätungen bestimmte Entschädigungen (mehr Informationen im Gratis-Merkblatt).
Geht eine Fluggesellschaft nicht auf das Anliegen der Passagiere ein, können sich diese beim Bundesamt für Zivilluftfahrt beschweren. Das tun viele: So gingen von 2015 bis 2017 weit über 10 000 Beschwerden ein. Die Unternehmen können gebüsst werden. Der «K-Tipp» zeigte aber auf, dass dieses Risiko gering ist: 2016 zum Beispiel erliess das Bundesamt gerade einmal 15 rechtskräftige Bussenverfügungen («K-Tipp» 17/2017). Lenkt die Airline nach Intervention des Bundesamts nicht ein, bleibt den Passagieren nur eine Zivilklage an einem Gericht. Das bedeutet viel Aufwand – ohne Gewissheit auf Erfolg.
Hier springen Inkassodienste wie Fairplane oder Cancelled.ch ein. Sie fordern im Auftrag der Passagiere die Entschädigung und klagen die Airline notfalls ein. Haben die Dienste keinen Erfolg, ist der Service für die Kunden kostenlos. Bei Erfolg kassieren sie einen Teil der Zahlung als Provision. Cancelled.ch verlangt zum Beispiel 20 Prozent, Flightright bis zu 30 Prozent plus Mehrwertsteuer, Airhelp bis 40 Prozent.
saldo wollte von fünf Inkassodiensten wissen, welche Erfahrungen sie mit den Airlines in Sachen Fluggastrechte machen. Resultat: Condor, SAS, Transavia und United Airlines erhielten alle die Bewertung «vorbildlich» (siehe Tabelle im PDF). Gut abgeschnitten haben auch die Austrian Airlines – sie wurden von vier Inkassodiensten als «vorbildlich» gewertet, von einem als «mittelmässig».
Am andern Ende der Rangliste stehen die Swiss-Tochter Edelweiss, die irische Ryanair und die spanische Vueling. Ryanair wurde von vier Inkassodiensten als «unfair» gewertet, Edelweiss und die Vueling von je zwei. Drei Dienste halten Easyjet für mittelmässig, Fairplane und Flightright beurteilen die Billigairline als unfair.
Edelweiss: «Einschätzungen sind nicht objektiv»
Edelweiss will die Einschätzung der Inkassodienste nicht kommentieren. Es handle sich um Firmen, die mit der Bearbeitung von Entschädigungsforderungen kommerzielle Ziele verfolgten. Sie seien nicht objektiv. Edelweiss halte die Fluggastrechteverordnung ein. Ryanair teilt mit: «Wer sich direkt an uns wendet, erhält die volle Entschädigung.» Man habe dafür ein spezialisiertes Team.
Gratis-Merkblatt
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