Die Waldschnepfe lebt zurückgezogen und ist nachtaktiv. Deshalb sieht man sie kaum. Im Wald sind die laubbraunen Tiere mit den dünnen Schnäbeln perfekt getarnt. Aber: Die Schnepfen sind auch selten. Ihr Bestand wird in der Schweiz auf maximal 8000 Tiere geschätzt.
Die Waldschnepfe steht als gefährdete Art auf der Roten Liste des Bundes. Trotzdem darf der Vogel gejagt werden. Das Jagdgesetz führt die Schnepfe in der Liste der «jagdbaren Arten» auf. Laut amtlicher Jagdstatistik erlegen Jäger in der Schweiz pro Jahr zwischen 1500 und 2500 Exemplare der bedrohten Vögel. Sie spüren die Schnepfen mit Jagdhunden auf und töten sie mit der Schrotflinte.
Nur in der Schonzeit im Frühling und im Sommer dürfen sie die Vögel nicht jagen. Die Idee dahinter: Weibchen sollen nicht getötet werden, bevor sie ihre Eier ausgebrütet haben und die Jungen geschlüpft sind.
Bund zahlt 200 000 Franken pro Jahr für die Artenförderung
Auch einige «potenziell gefährdete» Vogelarten sind im Visier von Jägern – völlig legal. Sie erlegen jährlich 250 bis 550 Schneehühner und knapp 400 bis 600 Birkhähne (siehe PDF). Grotesk: Die beiden Arten sind wie die Waldschnepfe sogenannte Prioritätsarten für die Artenförderung. Bund und Kantone finanzieren Projekte, um die Bestände zu vergrössern – gleichzeitig gibt der Bund die Tiere zum Abschuss frei. Das Bundesamt für Umwelt schreibt saldo, dass es sich mit rund 200 000 Franken pro Jahr an den Kosten von Artenförderungsprojekten für Vögel beteilige. Ein 2014 lanciertes Projekt zur Förderung der Waldschnepfe kostete den Bund einmalig 500 000 Franken.
Die Organisationen Pro Natura, Birdlife und der Schweizer Tierschutz fordern: Mit der Jagd auf bedrohte Vögel soll Schluss sein. Die bedrohten und «potenziell gefährdeten» Vogelarten würden weder der Landschaft noch anderen Tieren schaden. Anders sei das zum Beispiel bei Wildschweinen, die Maisfelder kahlfressen und Wiesen zerwühlen.
Die Jäger sagen, die Abschüsse würden nicht zu einem Rückgang der Bestände führen. David Clavadetscher vom Verband Jagd Schweiz: «Jäger haben in 100 Jahren nicht eine einzige Tierart ausgerottet.» Bei den Waldschnepfen erlege man in erster Linie Zugvögel aus dem Nordosten Europas, wo die Bestände nicht gefährdet seien. Die in der Schweiz brütenden Schnepfen seien zum Beginn der Jagdsaison im Herbst schon in den Süden gezogen. Die Jagd auf Schnepfen hat eine lange Tradition. Sie gelten in Jägerkreisen als Delikatesse. «Die Vögel werden selbstverständlich gegessen», sagt Jäger Clavadetscher.
Gemäss Jagdstatistik erlegen die Jäger in einigen Kantonen viel mehr Vögel bedrohter Arten als in anderen. Für die Waldschnepfe sind vor allem das Tessin sowie die Kantone Freiburg, Neuenburg und Waadt gefährliche Gebiete. Die Jagd auf Schneehühner und Birkhähne findet vor allem in Graubünden und im Wallis statt. Auch neun bedrohte Entenarten sind zum Abschuss frei. Erlegt werden nicht in der Schweiz brütende Enten, sondern Zugvögel aus dem Norden.
Selbst Laien dürfen Krähen schiessen
Insgesamt schiessen Jäger jedes Jahr über 25 000 Vögel, darunter neben Enten und Tauben auch Singvogelarten wie Krähen, Eichelhäher und Elstern. Am häufigsten werden Rabenkrähen erlegt: Sie sind bei Bauern unbeliebt, weil sie auf Äckern die Saat fressen. Einige Kantone zahlen Jägern Abschussprämien für Singvögel wie Eichelhäher und Elstern aus. Grund: Es sind Räuber, welche die Nester anderer Singvögel plündern. In Uri etwa gibts pro erlegte Krähe oder Elster 5 Franken, in Nidwalden 3 Franken.
Der Abschuss von Rabenkrähen ist laut der Jagdverordnung auf Äckern das ganze Jahr erlaubt. Selbst Laien ohne Jägerausbildung dürfen Krähen töten. Diese «Selbsthilfe», zum Beispiel durch Bauern, kontrolliert niemand. Tierschützer kritisieren, dass Laien Vögel bei Fehlschüssen oft nicht sofort töten, sondern verletzen, sodass die Vögel leiden müssen.