Markus Ritter, Präsident des Bauernverbands, ist bekannt dafür, dass er die landwirtschaftlichen Gesetze auswendig kennt. Doch am 28. Februar dieses Jahres setzte sein Gedächtnis aus. Ritter war beim Bundesamt für Landwirtschaft vorgeladen.
Es ging um die Details der Pestizidmeldepflicht. Laut Gesetz müssen Bauern seit Anfang Jahr Menge, Zeitpunkt und genauen Ort angeben, wenn sie chemische Pflanzengifte verspritzen. Parlament und Bauernverband hatten dazu im Vorfeld der Pestizid- und Trinkwasserinitiative vor drei Jahren Ja gesagt.
Doch Ritter war sich beim Treffen mit dem Bundesamt «der Details» des Gesetzes «nicht mehr bewusst» und forderte klare Vereinfachungen. Dies geht aus einem Besprechungsrapport des Amts hervor, den saldo, gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz, erhielt.
Bundesamt gab den Forderungen der Bauern nach
Das Bundesamt erfüllte die Forderungen der Bauern: Es schwächte die Pestizidmeldepflicht stark ab und verschob sie auf 2027 – obwohl sie seit Anfang 2024 im Gesetz steht («K-Tipp» 11/2024). Mit der Meldepflicht kann etwa zurückverfolgt werden, woher die in Gewässern gefundenen Gifte stammen.
Im Mittelland werden die gesetzlichen Pestizidgrenzwerte laut Bund an mehr als 60 Prozent der Messstellen überschritten. Bei einem «K-Tipp»-Test waren 13 von 30 Leitungswasserproben aus verschiedenen Kantonen pestizidbelastet («K-Tipp» 1/2020). Bis heute haben die Behörden keine Informationen dazu, wer wo Gifte einsetzt.
In anderen Ländern hätten sich Meldesysteme bewährt, sagt Robert Finger, Professor für Agrarökonomie an der ETH Zürich: «In Dänemark konnte auch darum der Einsatz riskanter Pestizide deutlich gesenkt werden.»
Fast alle landwirtschaftlichen Verbände und Politiker unterstützten anfänglich die Meldepflicht. Doch je näher der Einführungstermin rückte, desto mehr wehrten sie sich. Der Berner Bauernverband zum Beispiel forderte in einem Brief ans Bundesamt im Dezember 2023, diverse Änderungen am Meldesystem vorzunehmen. So wollten die Bauern allein «über die Weitergabe ihrer Daten» entscheiden. Diese Forderung sei «nicht verhandelbar» und «Bedingung für die Einführung des Projekts», schrieben sie unverfroren.
Die Dokumente des Amts zeigen: Die Bauern wollen verhindern, dass sie die mit Pestizid behandelten Flächen angeben müssen. «Bauchschmerzen bereitet den Gemüseproduzenten die vermutete Datenweitergabe an umweltnahe Kreise und Behörden», schrieb das Amt nach einer Besprechung. Die Bauern kritisierten laut den Dokumenten zudem ihren grossen Aufwand, um die Daten einzugeben.
«Landwirte verstossen gegen Treu und Glauben»
Heute ist fraglich, ob die Meldepflicht je so umgesetzt wird, wie sie im Gesetz steht. Die Behörden entschieden im Frühling, dass die Bauern in den ersten drei Jahren nach 2027 nur den Lagerbestand an Pestiziden melden müssen.
Doch selbst das ist der Bauernlobby zu viel. Im September nahm der Nationalrat einen Vorstoss von Nicolas Kolly (SVP/FR) an, der das Meldesystem ganz aufheben will. Der Vorstoss kommt nun in den Ständerat.
Bundesrat Guy Parmelin verteidigte die Meldepflicht im Rat: Das Volk habe die Trinkwasserinitiative abgelehnt, «im Vertrauen darauf, dass die vom Parlament beschlossenen Massnahmen den Schutz von Grund- und Oberflächengewässern gewährleisten». Es verstosse «gegen Treu und Glauben, diese Beschlüsse rückgängig zu machen».
Der Bauernverband behauptet, er stehe «immer noch zur Offenlegungspflicht». Das Problem sei aber die «Sturheit der Behörden». Diese hätten sich geweigert, das Meldesystem so anzupassen, dass es sich «ohne gigantischen administrativen Aufwand umsetzen lässt».
Das Bundesamt schreibt saldo: Das Meldessystem bedeute keinen Mehraufwand. Die Bauern müssten den Pestizidverbrauch schon heute dokumentieren. Neu müssten sie die Daten nur digital eingeben, so das Amt. Und die Informationen seien nur für Behörden zugänglich.
Bio Suisse und IP Suisse stehen hinter der Meldepflicht. IP Suisse schreibt: Eine Streichung wäre kontraproduktiv «für das Vertrauen in die Landwirtschaft».