Das Klägerehepaar läuft im Foyer des Winterthurer Gerichtsgebäudes mit versteinerten Mienen am Anwalt des beklagten Bauherrn vorbei. Drinnen im Saal des Bezirksgerichts Winterthur bleibt die Stimmung frostig. Beide Parteien sind in Begleitung eines Anwalts erschienen. Alle sitzen gemeinsam an einem grossen Tisch. Der Anwalt der Kläger wendet sich der Einzelrichterin zu und ergreift das Wort: Der Beklagte habe zwei Mehrfamilienhäuser neben dem Einfamilienhaus des Ehepaars gebaut. Die mehrmonatigen Bauarbeiten hätten ihre Ruhe stark gestört: «Die Bauarbeiter liessen die Wasserpumpen über Nacht laufen, ohne dass Wasser gepumpt wurde.» Sie hätten sich nicht einmal die Mühe gemacht, den Lärm einzudämmen. «Mit zwei, drei Decken über den Pumpen wäre das erledigt gewesen.»
Auch andere Nachbarn hätten bei der Gemeinde Beschwerde eingereicht, jedoch ohne Erfolg. Selbst am Wochenende seien die Bauarbeiten weitergeführt worden. Auf der Strasse sei überall Baumaterial herumgelegen. Das Ehepaar habe grösste Mühe gehabt, mit dem Auto durchzukommen. «Das Baumaterial versperrte immer wieder unsere Garageneinfahrt», wirft die Ehefrau ein. Ihr Mann ergänzt: «Und bereits um sechs Uhr früh hantierten sie mit Betonkübeln vor dem Schlafzimmerfenster, wir konnten nicht mehr weiterschlafen!»
15 000 Franken Entschädigung gefordert
Wegen der übermässigen Lärmimmissionen während über zwölf Monaten sowie dem unbefugten Versperren der Garageneinfahrt fordert der Anwalt des Ehepaares eine Entschädigung von rund 15 000 Franken.
Ob er denn Beweise habe, die den erlittenen Schaden belegen, will die Richterin wissen. «Mussten Sie wegen dem Lärm im Hotel übernachten? Haben Sie Hotelquittungen?», fragt sie in Richtung des Ehepaares. Diese verneinen.
Bauherr bestreitet, dass die Lärmbelastung übermässig war
Dann schaut die Richterin den Anwalt an. Der beginnt demonstrativ in den Akten zu blättern. Doch fündig wird er nicht. Stattdessen spricht er plötzlich von einer Genugtuung. Dass der Garten beschädigt wurde, sei klar. Und eine Genugtuung sei angebracht, weil das Ehepaar durch den Baulärm «quasi vom Benutzungsrecht seines eigenen Hauses enteignet» worden sei.
Der Gegenanwalt wirft ein, dass der Bauherr bereits 3000 Franken für den Garten bezahlt habe. Das Ehepaar protestiert: «Das Geld hat nie und nimmer gereicht, um den ursprünglichen Zustand des Gartens wiederherzustellen.»
Der Anwalt des Bauherrn fasst zusammen: «Tatsache ist: Der Kollege hat keine Beweismittel und kann den Schaden nicht aufzeigen, weil es eben keinen Schaden gibt. Bauen stellt immer einen gewissen Ausnahmezustand dar und geht leider nicht ohne Lärm.» Und von übermässigem Lärm könne im konkreten Fall keine Rede sein.
Richterin will keine Erklärungen, sondern Beweise
Das Ehepaar will jetzt der Richterin präziser erläutern, inwiefern es durch den ständigen Lärm und die verstellte Einfahrt eben doch einen Schaden erlitt. Diese geht nicht darauf ein: «Das wäre doch die Aufgabe Ihres Anwalts, das hätten Sie vorher mit ihm ausmachen müssen.» Zudem gebe es offenbar keine Unterlagen, mit denen sich ein Schaden belegen lasse.
Kompromiss: Neuer Belag für Privatstrasse und 1750 Franken
Beide Parteien sind mit Vergleichsverhandlungen einverstanden. Resultat: Das Klägerehepaar reduziert die eingeklagte Forderung von rund 15 000 Franken auf 1750 Franken. Der Bauherr verpflichtet sich zusätzlich, den Belag der Privatstrasse vor dem Grundstück des Ehepaares zu erneuern. Die Gerichtskosten von 1200 Franken trägt das Ehepaar. Und jede Partei zahlt ihren Anwalt selbst.
Prozessieren: Forderungen schriftlich belegen
Wer vor Gericht von jemandem Geld fordert, muss den Anspruch beweisen können. Zum Beispiel mit Zeugenaussagen. Am zuverlässigsten sind schriftliche Aufzeichnungen wie Rechnungen, Verträge, Quittungen oder professionelle Messungen, etwa bei Lärmimmissionen. Wer Schadenersatz geltend macht, muss jeden Franken belegen.
Ein Schaden in rechtlicher Hinsicht ist immer ein finanzieller Verlust oder ein entgangener Gewinn. Vor dem Einreichen einer Forderung am Gericht sollten sich die Kläger deshalb nicht nur fragen, ob sie im Recht sind. Ebenso wichtig ist es zu prüfen, ob sich die Forderungen beweisen lassen.