Batterie-Entsorgung: Bund gibt E-Auto-Herstellern Freipass
In der Schweiz fahren rund 180 000 Elektro- und Hybridautos herum. Was passiert mit den Batterien, wenn sie alt sind? Der Bund verzichtet auf Regeln und überlässt das Recycling der Autobranche.
Fast jeder vierte Neuwagen in der Schweiz ist ein Elektro- oder Hybridauto. Ende September rollten laut dem Branchenverband Auto-Schweiz rund 42 000 Elektroautos und 137 000 Hybridfahrzeuge durch die Schweiz und Liechtenstein.
Noch nicht gelöst hat die Autobranche die Entsorgung der Batterien, die in den kommenden Jahren gehäuft anfallen. Die Batterie eines E-Autos entspricht etwa 7000 Handy-Akkus und ist voller wertvoller Rohstoffe wie Aluminium, Stahl, Lithium, Mangan, Kobalt, Nickel und Kunststoffe. Die Herstellung einer Batterie erfordert viel Energie, und die Gewinnung der Rohstoffe ist ökologisch problematisch. Das stellt eine kürzlich veröffentliche Studie des Verkehrsclubs der Schweiz und des Hilfswerks «Brot für alle» fest.
Gewinnung der Rohstoffe ist problematisch für Umwelt
Besonders problematisch sei «der wachsende Bedarf an Batterie-Rohstoffen». Beispiel Lithium, das vor allem in Chile, Argentinien und Bolivien abgebaut wird: Die Gewinnung von Lithium erfordert viel Süsswasser, was in den Abbaugebieten zu Wasserknappheit führt. Umweltschutzorganisationen fordern deshalb, dass Rohstoffe wiederverwertet werden.
Davon ist die Autobranche weit entfernt. Die Hersteller rezyklieren Batterien oft nicht selbst, sondern beauftragen spezialisierte Firmen. Der grösste Recyclingkonzern der Welt, die belgische Firma Umicore, verbrennt ausgemusterte Akkus in einem Ofen: Die Kupferfolien schmelzen und bilden mit Kobalt und Nickel eine Legierung, die in neuen Batterien wiederverwertet werden kann. «Das Lithium, das Graphit und das Aluminium verbrennen jedoch in der Schlacke und sind für die wirtschaftliche Weiterverwendung verloren», schreibt die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa).
Trotzdem behauptet Umicore, dass der Rückgewinnungsgrad bei über 95 Prozent liege. Das heisst: 95 Prozent des in der Batterie verarbeiteten Materials könne wiederverwendet werden. Das stimmt zwar – allerdings werden die wertvollen Rohstoffe statt für neue Batterien beispielweise im Strassenbau verwendet. Um die Umwelt zu schonen, sollten aber alle Materialien wieder in die Produktion von Batterien zurückfliessen.
In der Schweiz rezykliert die Batrec Industrie AG in Wimmis BE Autoakkus. Sie gehört zum französischen Konzern Veolia. Ihr zufolge werden zurzeit nur rund 40 E-Auto-Batterien pro Jahr demontiert. «Rund 95 Prozent des verbauten Kobalts und Nickels kann man zurückgewinnen», meldete Batrec kürzlich im Schweizer Fernsehen. Doch auch dieses Material werde laut Batrec-Chef Dieter Offenthaler mangels Qualität nicht für neue Batterien verwendet.
saldo wollte von E-Auto-Herstellern wissen, wie hoch der Rückgewinnungsgrad bei ihren Akkus ist. Marktführer Tesla reagierte nicht. Und die übrigen Unternehmen taten sich teils schwer, konkrete Prozentzahlen zu nennen: Renault, Hersteller des Modells Zoe, gab an, dass «die von der EU geforderte Rückgewinnungsquote von 50 Prozent schon heute bei Weitem überschritten» werde. Nissan schreibt: «Die langfristige Vision ist es, die Abhängigkeit von neuen Materialien bis 2050 auf 70 Prozent zu reduzieren.» Und Toyota, Marktführer bei den Hybridfahrzeugen, gibt eine Rückgewinnungsquote von «mindestens 95 Prozent» an. Doch der japanische Autobauer lässt seine Lithium-Ionen-Batterien ebenfalls bei Umicore recyceln. Man muss also davon ausgehen, dass ein grosser Teil der wiedergewonnenen wertvollen Rohstoffe nicht in neue Batterien fliesst. Immerhin: Toyota und viele andere grosse Auto-Hersteller haben heute Second-Life-Programme. Das heisst: Ausgemusterte E-Auto-Batterien werden noch für andere Zwecke verwendet, bevor man sie recycelt (siehe Kasten).
Recyclingquote des Bundes ist schwammig formuliert
Im Unterschied zur EU gibt es in der Schweiz keine Recycling-Auflagen. Die Entsorgung von Auto-Akkus ist zwar in der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung geregelt. Dort heisst es aber bloss, dass «die Hersteller für die Rücknahme und umweltgerechte Entsorgung der Batterien verantwortlich» seien. Und laut Bundesamt für Umwelt soll die Recyclingquote «so hoch wie möglich» sein. Eine schwammige Formulierung mit vielen Schlupflöchern.
Die Autohändler dürfen mit dem Segen des Bundes gar an einer eigenen Branchenlösung arbeiten. Die Vereinigung der offiziellen Automobilimporteure Auto-Schweiz hofft, zusammen mit ihrer Stiftung Auto Recycling Schweiz und fachlicher Unterstützung der Empa bis Ende 2021 eine Lösung zu finden.
Zweites Leben für E-Auto-Batterien
Seit über 10 Jahren sind die Schweizer Briefträger mit dreirädrigen Elektrorollern unterwegs. Momentan sind es 6300 E-Postroller der Kyburz Switzerland AG.
Die ersten Fahrzeuge erreichten vor einigen Jahren das Ende ihrer Lebensdauer. Deshalb startete die Post 2017 ein Projekt zur Zweitnutzung der Akkus. Die alten Akkus verfügen noch über rund 80 Prozent ihrer Speicherkapazität. Das reicht nicht mehr für Elektrofahrzeuge – ist aber gut genug für andere Verwendungszwecke. Zu grösseren Speichereinheiten verbunden, können sie etwa als Zwischenspeicher für Solarstrom dienen. Drei solcher «Second-Life-Akkus» nahm die Post im Mai 2017 in einem ihrer Gebäude in Neuenburg in Betrieb. Aus ökonomischen Gründen wird das Pilotprojekt gemäss der Post jedoch «zurzeit nicht fortgesetzt».
Kyburz hat ein eigenes Second-Life-Programm, um die Batterien weiter zu nutzen. Auch alle grossen Autohersteller von Audi bis Toyota haben ähnliche Projekte am Laufen. Zurzeit baut Kyburz eine eigene Recyclinganlage auf. Bisher wurden die Akkus bei der Firma Batrec Industrie AG in Wimmis BE entsorgt. «Bis zu 95 Prozent der Rohstoffe können zurückgewonnen werden», meldete Kyburz auf Anfrage. Ob diese Materialien aber auch für neue Batterien verwendet werden können, konnte Kyburz nicht beantworten.