Kunde Sergio Bernasconi (Name geändert), Schweizer mit Wohnsitz im Ausland, war überrascht, als auf dem Bildschirm seines Computers ein Fenster aufpoppte. Der Titel «Verzicht auf das Bankgeheimnis bezüglich Investitionen in kollektive Kapitalanlagen» irritierte ihn. Dabei wollte Bernasconi nur Anteile eines Immobilienfonds der Deutschen Bank kaufen – eine in keiner Weise zwielichtige Anlage. Als Kunde der Internetbank Swissquote war er erstmals mit einer solchen Verzichtserklärung konfrontiert.
Vollends sträubten sich Bernasconis Haare, als er die Erklärung las: «Sie ermächtigen und beauftragen Swissquote (…), jegliche Informationen zu Ihnen und Ihrem Konto bei Swissquote an Partner, mit denen diese im Kontext von Investitionen in die betroffenen Produkte zusammenarbeitet, einschliesslich eingebundener Broker, Depotbanken, Fonds/ETFs oder ihre Emittenten, sowie Behörden oder Drittpersonen, sofern diese solche Informationen erfragen, herauszugeben.»
Die Erklärung hält weiter fest, dass Name, Adresse, Steuernummer, Passkopie und Angaben über das Kundendepot an Dritte weitergegeben werden könnten – «unter Umständen auch anderen Behörden». Diese Verzichtserklärung auf das Bankgeheimnis muss der Kunde entweder online per Klick akzeptieren oder in schriftlicher Form unterschreiben. Tut er es nicht, kann er den gewünschten Fonds nicht erwerben.
Nicht alle Depotbanken verlangen Verzicht auf das Bankgeheimnis
Die Rechtsabteilung von Swissquote bestätigt den Sachverhalt. Die Sprecherin sagt aber, dass der Internethändler selbst keinerlei Interesse an der Weitergabe von Kundendaten habe. «Das wird uns von aussen auferlegt.» Die Forderung nach der Verzichtserklärung komme vom Depositär, der Schweizer Depotbank des besagten Fonds. Diese müsse in Drittländern garantieren, auf Anfrage Kundeninformationen zu liefern.
Die Sprecherin sagt, dass Swissquote nur dann Informationen über Kunden weitergebe, wenn danach gefragt werde. Bis heute sei das noch nie vorgekommen. Die Massnahme sei rein präventiv. Swissquote arbeitet mit verschiedenen Depotbanken zusammen. Nicht alle verlangten Verzichtserklärungen auf das Bankgeheimnis, sagt die Sprecherin. Den Namen der Depositärin im Fall des deutschen Immobilienfonds will sie nicht nennen. Es sei eine der grossen Schweizer Banken. Credit Suisse und die Zürcher Kantonalbank verneinen. Beide geben aber an, je nach Anlageprodukt oder Land, in dem das Produkt emittiert wird, auch Verzichtserklärungen auf das Bankgeheimnis zu verlangen.
Ein Sprecher der UBS sagt, es sei möglich, dass die UBS für diesen Fonds Depotbank von Swissquote sei. Entscheidend sei, dass die Transparenz für den Anlagekunden gegeben sei. Fondsprospekte halten fest, ob der Käufer seine Daten offenlegen muss. Das ist bei Fonds der Fall, die ausserhalb des europäischen Wirtschaftsraums emittiert werden und auch bei gewissen Immobilienfonds.
Verschiedene Banken verneinen, von Kunden derartige Verzichtserklärungen zu verlangen. Unter ihnen sind Postfinance, die Raiffeisengruppe, die Basler Kantonalbank und ihre Tochter Bank Coop und die Clientis Zürcher Regionalbank.
Das Vorgehen ist laut Experten bei Fonds bald Standard
Rechtlich ist den beteiligten Banken nichts vorzuwerfen. «Ein Verzicht auf den Schutz durch das Bankgeheimnis ist möglich», sagt Monika Roth, Rechtsprofessorin der Hochschule Luzern. Auch Dieter Söhner, auf Finanzmarktrecht spezialisierter Rechtsanwalt, sagt zur Frage, ob Swissquote so das Bankgeheimnis aushebeln dürfe: «Ja, das Institut kann das.» Er verweist auf Staaten, die das ausdrücklich verlangen, etwa die USA oder Norwegen. Ausländer, die in norwegische Fonds investieren wollen, müssen in die Offenlegung ihrer Daten einwilligen. Roth: «Wenn man unbedingt in ein solches Produkt investieren will, muss man die Verzichtserklärung unterschreiben.» Der Trend gehe klar in diese Richtung. «Man wird bald keine Fonds ohne entsprechende Erklärung mehr kaufen können.»
Gestützt auf eine Umfrage hielt die Bankiervereinigung kürzlich fest: «Schweizer wollen, dass ihre finanzielle Privatsphäre gegenüber Dritten geschützt ist: 85 Prozent sprechen sich dafür aus.» Die Realität in Sachen Bankgeheimnis sieht wohl längst anders aus.
Internet Recht: Ein Klick, und das Bankgeheimnis gilt nicht mehr
Ist eine Verzichtserklärung auf das Bankgeheimnis per Mausklick, ohne Unterschrift, rechtsgültig? David Rosenthal, auf Internetrecht spezialisierter Jurist, meint: Ja, sofern die Erklärung «nach angemessener Information freiwillig erfolgt».
Der Einwand, dass etwa ein Familienmitglied des Bankkunden den Mausklick ausführen könne, sticht gemäss Rosenthal nicht. Wer sich mit den Zusatzcodes des Kontoinhabers ausweise, gelte grundsätzlich als von ihm ermächtigt – ähnlich wie im Internetbanking.