Ein 90-jähriger Basler hatte ein Aktiendepot bei der UBS. Im Februar 2020 gab er der Bank über seinen Anwalt den Auftrag, die Aktien zu verkaufen und das Geld einer anderen Bank zu überweisen. Die UBS forderte den Rentner auf, den Auftrag persönlich in der Filiale zu bestätigen oder eine von einem Notar beglaubigte Unterschrift nachzureichen. Der Rentner beharrte darauf, dass der schriftliche Auftrag gültig sei. Zwei Monate später verkaufte die UBS die Aktien – das Geld zahlte sie dem Rentner aber nicht aus.
Vor dem Bezirksgericht Zürich fordert der Anwalt des Baslers nun die Auszahlung von 15 982 Franken ein. Das entspricht dem aktuellen Kontoguthaben. Zudem fordert der Rentner weitere 1523 Franken. So viel Geld habe er verloren, weil die Wertpapiere nicht sofort verkauft worden seien.
Der Anwalt erscheint vor dem Bezirksgericht Zürich ohne seinen Mandanten. Sein Klient habe einen Schlaganfall erlitten, erklärt er vor dem Einzelrichter, «die Reise nach Zürich wäre für ihn zu beschwerlich gewesen». Der Richter will von ihm wissen, ob er über eine beglaubigte Vollmacht seines Mandanten verfüge. «In der Vorladung steht, dass der Kläger persönlich erscheinen oder eine von einem Notar beglaubigte Vollmacht einreichen muss», sagt er.
Der Anwalt verneint und übergibt dem Gericht stattdessen eine handschriftlich unterzeichnete Vollmacht seines Mandanten. Der auf der Vorladung versteckte, kleingedruckte Hinweis sei formalistisch, kritisiert der Anwalt: «Ich sah noch nie eine Verfügung, in der vom Gericht eine notariell beglaubigte Vollmacht verlangt wurde.» Ausserdem habe sein Klient die Vollmacht vor seinen Augen unterschrieben.
Spitalaufenthalt hinderte Kläger, selbst zur Bank zu gehen
Der Einzelrichter fordert den Anwalt auf, die Klage zu begründen. Dieser schildert den Sachverhalt: «Der Kläger hatte bei mehreren Banken Konten und Wertschriftendepots. Er wollte seine Vermögenswerte bei zwei Banken zusammenführen.» Aufgrund eines Spitalaufenthalts sei der Rentner aber nicht in der Lage gewesen, dieses Geschäft selbst zu erledigen. Deshalb habe er ihn damit beauftragt. «Mein Mandant wehrt sich gegen die Schikanen der Bank. Er hat den Eindruck, dass man mit 90 nichts mehr wert ist als Bankkunde.» Positiv zu vermerken sei immerhin, dass die UBS in einer ersten schriftlichen Antwort auf die Klage mitgeteilt habe, dass sie die Forderung von 1523 Franken für den verspäteten Verkauf der Aktien anerkenne.
Der Anwalt der Bank weist die Klage zurück. Die UBS habe wie jede andere Bank die Pflicht, bei Kontosaldierungen die Personalien abzuklären. «Der letzte Kontakt mit dem Kunden lag sechs Jahre zurück. Er war zunächst telefonisch nicht erreichbar und auch die Wohnadresse war nicht aktuell.» Es sei schliesslich doch noch zu einem telefonischen Kontakt gekommen, ergänzt der Anwalt. Doch dieses Gespräch sei dem Bankangestellten verdächtig vorgekommen. Er habe folgende Aktennotiz verfasst: «Mir erscheint der Anruf dubios, da die Stimme jung ist und die Adresse nicht stimmt.» Die Bank habe befürchtet, eine unbekannte Person wolle sich als Kunde ausgeben, schliesst der Anwalt.
Beide Parteien sind zu einem Vergleich bereit. Der Kläger verpflichtet sich, eine notariell beglaubigte Vollmacht vorzuweisen. Die Grossbank muss daraufhin umgehend die eingeklagte Geldsumme auszahlen. Die Verfahrenskosten werden aufgeteilt. Jede Partei trägt ihre Anwaltskosten selbst.
Schlichtung kann Gang vor das Gericht ersparen
Ein Streit mit der Bank muss nicht zwingend vor Gericht landen. Als Kunde sollte man zuerst das direkte Gespräch mit den Verantwortlichen suchen – am besten schriftlich. Bei einer unbefriedigenden Antwort kann man bei der Stiftung Schweizerischer Bankenombudsman eine Beschwerde einreichen. Das Verfahren ist für Kunden gratis. Der Ombudsmann wird von den Banken bezahlt. Er versucht, zwischen Banken und Kunden zu vermitteln, hat aber keine Entscheidungskompetenz. Hilft auch das nicht, kann man bei der Schlichtungsstelle eine Klage einreichen. Dieses Verfahren kostet einige Hundert Franken, ist aber Voraussetzung für die Klage am Gericht. Adresse: Schweizerischer Bankenombudsman, Bahnhofplatz 9, 8021 Zürich, Telefon 043 266 14 14 oder Bankingombudsman.ch