Mit Backpulver Krebszellen abtöten: Dafür wirbt der US-Akupunkteur Mark Sircus in seinem Buch «Natriumbicarbonat – Krebstherapie für jedermann». Darin empfiehlt der Autor eine Mischung von Natriumbicarbonat (enthalten in Backpulver) und Ahornsirup: Sie würden die «schrecklichen Nebenwirkungen» und «enormen Kosten» einer Chemotherapie minimieren.
Das Prinzip dieser «natürlichen Chemotherapie» gemäss Sircus: Das Natriumbicarbonat gelange über den Sirup in die Krebszelle. Dort lasse das Gemisch die kranke Zelle nicht mehr wachsen und töte sie ab.
Warum das so sein soll, versucht Sircus mit Theorien von Wunderheilern und Ärzten zu belegen. Er schreibt in seinem Bestseller, dass die «Erfolgsberichte» für seine Therapie sprechen würden, «wie auch immer das Ganze theoretisch ablaufen mag».
Backpulver kann Übelkeit und Muskelschwäche auslösen
Mit seiner Backpulver-Therapie ist der Buchautor nicht allein: Auch das «Zentrum der Gesundheit» mit Sitz in Luzern empfiehlt auf seiner Website die Therapie und verweist auf angeblich erfolgreiche Fallberichte.
Im Buch von Sircus und in einschlägigen Internetforen fällt immer wieder der Name Tullio Simonici. Der Arzt wurde aus der italienischen Ärztekammer ausgeschlossen und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, weil drei seiner Krebspatienten kurz nach einer Natriumbicarbonat-Behandlung starben.
Spricht man Krebsexperten auf die Therapie an, dann schütteln alle den Kopf. Der St. Galler Krebsarzt Thomas Cerny zum Beispiel sagt: «Es gibt keinerlei wissenschaftliche Beweise, dass Backpulver und Ahornsirup das Wachstum von Krebszellen stoppen oder diese gar verschwinden lassen.» Die Therapie sei nutzlos und gefährlich: «Das Backmittel-Sirup-Gemisch kann zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten führen und wirksame Chemotherapien beeinträchtigen.» Zudem könne es bei Krebspatienten mit Diabetes zu Problemen mit dem Blutzucker kommen, wenn sie viel Ahornsirup trinken.
Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum warnt auf seiner Website, dass bei der Einnahme von zu viel Backpulver Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Muskelschwäche und Krämpfe auftreten können.
Backpulver-Versuche bislang nur an Mäusen durchgeführt
Die Backpulver-Therapie macht seit Jahren die Runde, auch weil Autoren wie Mark Sircus ihre Behauptungen immer wieder auf Studienresultate renommierter Universitäten und Institute stützen. Sie verschweigen in ihren Büchern und Vorträgen, dass die Resultate von Versuchen an Mäusen stammen – und nicht an Menschen. So fanden etwa Forscher des Ludwig-Instituts in New York vor fünf Jahren heraus, dass Krebszellen von Mäusen, die mit Natriumbicarbonat versetztes Wasser tranken, für eine Krebsbehandlung besser zugänglich sind.
Krebsarzt Cerny ist überzeugt, dass sich die Studienresultate nicht von Mäusen auf Menschen übertragen lassen: «Man kann nicht einfach in den hochkomplizierten und lebenswichtigen Säure-Basen-Haushalt eines Menschen eingreifen. Dazu braucht es Studien, die sicher sind. Alles andere ist gefährlich.» Wer wie Mark Sircus keinen Unterschied mache, ignoriere den aktuellen Stand der Forschung.
Der Zürcher Hausarzt Thomas Walser sagt, dass Publizisten wie Mark Sircus mit der Hoffnung von Krebspatienten ein falsches Spiel treiben würden. Ein Spiel, das tödlich enden kann: «Im schlimmsten Fall stoppen oder verschieben verzweifelte Krebskranke ihre Chemotherapie – oder verzichten ganz auf sie.»
So entlarvt man dubiose Therapien
- Eine Therapie wird als Allzweckmittel angepriesen, etwa «gegen alle Arten» von Krebs.
- Die Therapie wird in Büchern, Inseraten oder im Internet mit reisserischen Slogans beworben, wie zum Beispiel «Krebstherapie für jedermann».
- Werden Sie misstrauisch, wenn eine Therapie vollständige Heilung verspricht und bei Misserfolg die Schuld bei Ihnen liegen soll – etwa weil Sie sich angeblich falsch ernähren oder Ihnen der Glaube an die Therapie fehle.
- Mögliche Risiken und Nebenwirkungen werden nicht genannt.
- Auf kritische Fragen erhält man keine oder ungenügende Antworten.
- Holen Sie immer eine zweite Meinung bei einem Arzt oder einer Fachperson ein.