Ab 2021 hätte der CO2-Ausstoss aller importierten Neuwagen im Durchschnitt unter 95 Gramm pro Kilometer liegen sollen. Heute liegt er bei 130 Gramm. Doch der Bundesrat verschob die strenge Kohlendioxidregelung für neue Autos und Lieferwagen auf 2023. Das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) ist massgeblich für Erderwärmung und Klimawandel verantwortlich.
Florian Brunner von der Schweizerischen Energiestiftung kritisiert: «Der Bundesrat nimmt die Interessen der Autoimporteure wichtiger als den Schutz des Klimas.» Und er brüskiert auch das Parlament: Dieses wollte die strenge Abgasnorm im Jahr 2021 einführen. Auf diesen Zeitpunkt wird die Norm auch in der EU verbindlich.
Die Schweiz hinkt also hinterher. Autoimporteure können zwei Jahre länger satte Gewinne mit CO2- Luftverpestern einfahren, ohne dass sie entsprechend mehr CO2-arme Autos verkaufen müssen.
Laut Ferdinand Dudenhöffer, Chef des CAR-Center Automotive Research der Uni Duisburg-Essen, rentieren grosse Autos für Importeure und Hersteller mehr als kleine: «Je mehr PS die Autos haben, umso profitabler sind sie in der Regel.» Mit der PS-Zahl und dem Gewicht steigen aber auch Spritverbrauch und CO2-Emissionen.
Autolobby gegen hohe Bussen
Auto Schweiz, der Verband der Importeure, wollte die strengere Limite sogar erst im Jahr 2025 einführen. In der Diskussion um die Verordnung des Bundesrats behauptete der Verband, in der Schweiz würden unter anderem wegen «topografischer Faktoren» viele PS-starke Autos verkauft – also wegen der Berge. Ausserdem beschwerte er sich, dass die Importeure mindestens 200 Millionen Franken Bussen zahlen müssten, würde die Norm bereits früher gelten.
Das Gesetz sieht Strafen für Grossimporteure vor, deren Neuwagenflotte mehr CO2 ausstösst als zulässig. Als Grossimporteur gilt jemand, der pro Jahr über 50 Autos einführt. Der Bund legt für jeden eine CO2-Zielvorgabe fest. Der Wert berechnet sichvor allem aus dem durchschnittlichen CO2-Ausstoss der pro Jahr verkauften Neuwagen und deren Gewicht.
Bundesamt reduzierte die Bussgelder
Bisher taten die CO2-Strafzahlungen der Branche nicht weh. Der Bund verhängte 2016 Bussen von lediglich
2,4 Millionen Franken. 2015 waren es 12,6 Millionen Franken, 2014 nur 1,7 Millionen. Vor kurzem reduzierte das Bundesamt für Energie zudem die Bussgelder: Bisher kostete jede Überschreitung der Vorgaben pro Gramm Fr. 7.50. Neu sind es nur noch Fr. 5.50 (saldo 17/2017). Zudem schützte das Bundesamt die Klimasünder lange, indem es keine Namen von Gebüssten nannte (siehe Unten).
Im Jahr 2015 stiessen die zugelassenen Strassenfahrzeuge laut Bundesamt für Umweltschutz rund fünf Prozent mehr CO2 aus als im Jahr 1990. Gestützt auf diese Zahlen wäre der Strassenverkehr für 30 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. In Wahrheit sind es viel mehr: Die amtlichen Zahlen basieren auf Labortests und Herstellerangaben. Diese Werte sind oft manipuliert, wie der Dieselskandal zeigte (saldo 8/2017). Laut der Umweltorganisation International Council on Clean Transportation lagen die wirklichen CO2-Emissionen der Autos in Europa im vergangenen Jahr um 42 Prozent über den offiziell gemessenen Werten.
In keinem anderen Land Europas verkaufen Autohändler so viele neue Modelle mit hohem CO2-Ausstoss wie in der Schweiz: Die 2016 zugelassenen Neuwagen hatten im Durchschnitt 167 PS. Jedes dritte neu zugelassene Auto ist heute ein SUV. In Deutschland hatten die Neuwagen im Jahr 2016 nur 147 PS, in Österreich sogar nur 127 PS. Diese Zahlen stammen vom CAR-Center. Chef Ferdinand Dudenhöffer sagt: «Das Argument, man bräuchte für die Berge mehr PS, zieht nicht. In Österreich kommt man auch mit weniger PS die Berge hoch.»
Gericht gibt saldo recht: Bundesamt darf Klimasünder nennen
Saldo wollte Mitte 2015 vom Bundesamt für Energie wissen: Welche Autoimporteure mussten in den vergangenen Jahren Bussen zahlen, weil sie zu viele klimaschädliche Autos verkauft haben? Das Amt weigerte sich, die Gebüssten und die konkreten CO2-Werte zu nennen.
Ende Oktober hat nun das Bundesverwaltungsgericht entschieden: Der Bund muss die Namen publik machen.
Bis dahin war es ein langer Weg: Gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz rief saldo den Eidgenössischen Datenschützer an. Begründung: Es sei im öffentlichen Interesse zu erfahren, wie Behörden das CO2-Gesetz handhaben und wer dagegen verstösst. Das Bundesamt für Energie folgte der Empfehlung des Datenschützers und teilte saldo mit, dass es den Zugang zu den gewünschten Informationen gewähren will.
Dagegen klagten die Importeure von Jaguar, Land Rover, Toyota, Kia und Subaru. Sie wollten verhindern, dass publik wird, wie viel CO2 die Neuwagen durchschnittlich ausstossen. Ihr Argument: Bei diesen Informationen handle es sich um Geschäftsgeheimnisse. Das Bundesverwaltungsgericht sah das anders und gab saldo recht: An der Offenlegung bestehe angesichts der «Bedeutung der Materie» ein «erhebliches Interesse der Allgemeinheit». Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.