Die Motorfahrzeug-Haftpflicht deckt bei einem Unfall Sach- und Personenschäden. Das Geschäft mit dieser für jeden Fahrzeugbesitzer obligatorischen Versicherung ist so lukrativ wie noch nie. Das zeigen die Zahlen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma).
Vergangenes Jahr gaben die Schweizer Auto- und Motorradfahrer 2,7 Milliarden Franken für den Versicherungsschutz aus. Das sind 38,3 Prozent mehr als im Jahr 2000. Die Gründe: Der Bestand an Personenwagen stieg im gleichen Zeitraum von 3,5 auf 4,5 Millionen. Zudem stiegen die Prämien pro Fahrzeug.
Die Haftpflichtleistungen für eingetretene Schäden nahmen in den letzten 16 Jahren aber nicht zu, sondern sanken – von 1,53 Milliarden Franken auf 1,4 Milliarden Franken (siehe Grafik im PDF). Das ist ein Minus von gut 8 Prozent.
Fr. 1.94 Prämie für 1 Franken Schadenzahlung
Das heisst unter dem Strich: Im Jahr 2000 kostete 1 Franken Schaden die Prämienzahler Fr. 1.29, im vergangenen Jahr waren es schon Fr. 1.94. Die Bruttogewinnmarge der Versicherungen stieg von 22,5 Prozent auf 48,4 Prozent.
Von den grossen Versicherungen Allianz, Axa, Baloise, Generali, Helvetia, Mobiliar, Vaudoise und Zurich gibt nur die Mobiliar offen zu, dass die Zahlen der Finma die Verhältnisse recht gut wiedergeben. Die Mobiliar habe aber die Prämien in den vergangenen Jahren «laufend nach unten korrigiert».
Wettbewerbskommission will «Markt im Auge behalten»
In einem funktionierenden Markt müssten Kosteneinsparungen eigentlich den Versicherten zugute kommen – sei es durch tiefere Prämien oder bessere Leistungen. Doch die Zahlen deuten laut Simon Bangerter von der Wettbewerbskommission Weko darauf hin, dass der Markt nicht spielt. Die Weko könne aber nur gegen Preisabsprachen vorgehen. Dazu brauche sie konkrete Anhaltspunkte, eine wachsende Gewinnmarge allein genüge nicht. Bangerter verspricht aber: «Wir werden aufgrund dieser Zahlen den Markt im Auge behalten.»
Der Versicherungsspezialist Stefan Thurnherr vom VZ Vermögenszentrum findet deutliche Worte: «Die Marge ist enorm hoch. Dass sie sich so stark entwickelt hat und über mehrere Jahre halten konnte, deutet schon fast auf ein Marktversagen hin.» Üblich sei eine Bruttomarge von 30 bis 35 Prozent.
Bei anderen Autoversicherungen sank die Marge leicht
In dieser Bandbreite liegt die Marge bei der freiwilligen Autokaskoversicherung. Sie deckt die vom Fahrer nicht selbst verschuldeten Schäden an seinem eigenen Auto. Zu den versicherten Risiken zählen Feuer (Brand, Kurzschluss) und Diebstahl sowie Elementarschäden zum Beispiel durch Hagel. Hier stiegen die Prämien zwischen 2000 und 2016 von 2,1 Milliarden Franken auf 3,2 Milliarden Franken. Die Marge sank leicht von 36 Prozent auf 35 Prozent.
Thurnherr ist überzeugt, dass die sinkenden Leistungen bei der Autohaftpflicht «mehrheitlich» mit dem Bundesgerichtsurteil von 2011 zum Schleudertrauma zu tun haben. Seither haben nur noch wenige Schleudertraumapatienten Anspruch auf eine IV-Rente. Entsprechend seien auch die Schadenkosten der Versicherungen gesunken.
Für Experte Thurnherr ist klar: «Angesichts des markanten Rückgangs der Versicherungsleistungen müssten die Prämien um bis zu 20 Prozent sinken.» Dann müssten Auto- und Motorradfahrer nur noch 2,2 statt 2,7 Milliarden Franken Haftpflichtprämien im Jahr zahlen – 500 Millionen Franken weniger.
Rentable Rechtsschutzversicherung
Die hohen Margen der Versicherungen in der Motorfahrzeug-Haftpflicht sind kein Einzelfall:
Die Prämien für Rechtsschutzversicherungen stiegen von 2000 bis 2016 von 228 auf 572 Millionen Franken. Die Bruttogewinnmarge blieb in diesem Zeitraum bei gut 50 Prozent. Anders gesagt: Die Versicherten zahlen für 1 Franken Leistung 2 Franken Prämie.