China war die Destination ihrer Wahl: Vivienne aus Winterthur träumte von einem Aufenthalt in einem anderen Kulturraum. Ihre Mutter Stéphanie Clappier hatte Informationsveranstaltungen der nicht gewinnorientierten Austauschorganisation AFS besucht und war überzeugt: Diese Organisation ist seriös.
Als sie den Vertrag unterschreiben sollte, hatte sie erste Zweifel. Dort hiess es unter anderem: «Weist die Teilnehmerin eine von AFS vorgesehene Platzierung zurück, besteht kein Anspruch auf eine andere Platzierung.» Zudem könne der Kunde bei einem Programmabbruch keine Rückerstattungen verlangen. Und: Gerichtsstand bei allfälligen Streitigkeiten war New York.
Doch die Vorfreude ihrer Tochter war schon zu gross für einen Rückzieher. Die Mutter unterschrieb trotz der Bedenken. Ende August des letzten Jahres flog ihre 16-Jährige nach Peking.
AFS kündigte den Vertrag, weil Vivienne länger Ferien machte
Clappier hatte sich bewusst für AFS entschieden. Im Gegensatz zu kommerziellen Agenturen wie EF Education bezahlt AFS seinen Gastfamilien kein Entgelt für die Beherbergung ausländischer Jugendlicher. Sie setzt auf ein grosses Netz von freiwilligen Helfern und engagiert sich seit über 60 Jahren mit interkulturellen Austauschprogrammen für die Friedensförderung. Die Programme von AFS sind deshalb deutlich günstiger als diejenigen gewinnorientierter Konkurrenten: elf Monate China kosten mit EF fast 20 000 Franken, mit AFS 10 900 Franken.
Nach wenigen Monaten Peking bat Stéphanie Clappier bei AFS um einen Wechsel der Gastfamilie und der Schule für ihre Tochter. Grund: Die Gasteltern arbeiteten viel, die Schülerin war deshalb häufig allein zu Hause. Zudem war sie von jungen Männern belästigt worden. AFS lehnte einen Wechsel aber ab. Vivienne blieb trotzdem nicht lange bei ihrer Gastfamilie in Nordchina. Während der Ferien besuchte sie eine befreundete Familie. Die Abwesenheit dauerte länger als von AFS bewilligt.
Darauf kündigte AFS den Vertrag. Begründung: Vivienne habe die Reisevereinbarung nicht eingehalten. «Dies verunmöglichte es uns, unsere Verantwortung für ihre Sicherheit wahrzunehmen», schreibt AFS saldo. Zudem hätten sich die Schülerin und ihre Mutter «unkooperativ» verhalten. Geld gab es nicht zurück. In den Fällen «selbstverschuldeter Programmabbrüche» ist laut Vertrag keine Rückerstattung geschuldet.
Hilfreich: Abmachung über einen Wechsel der Gastfamilie
Laut Guido Frey, Geschäftsleiter von Intermundo, dem Schweizerischen Dachverband zur Förderung von Jugendaustausch, ist das Vorgehen auch bei anderen Organisationen gängig: «Rückerstattungen sind weitgehend ausgeschlossen. Kommt es zum Abbruch, ist das meiste Geld bereits ausgegeben.»
Barbara Engler von der unabhängigen deutschen Aktion Bildungsinformation bezeichnet die Austauschprogramme der in der Schweiz aktiven Organisationen AFS, YFU und international Experience grundsätzlich als gut: «Wir haben in den letzten Jahren kaum Beschwerden erhalten.» Sie berät auch Interessierte aus der Schweiz. Engler rät: Man sollte vereinbaren, dass in begründeten Fällen ein Wechsel der Gastfamilie möglich ist. Denn: «Familie und Betreuung im Gastland sind die wichtigsten Punkte für ein gelungenes Austauschjahr.»
Schuljahr im Ausland: Die wichtigsten Tipps
- Fragen Sie ehemalige Austauschschüler nach ihren Erfahrungen mit der Organisation im entsprechenden Gastland.
- Vergleichen Sie die Bedingungen und Regeln der Anbieter und verlangen Sie früh Musterverträge für Aufenthalte im entsprechenden Gastland. Schauen Sie bei exotischen Destinationen besonders genau hin.
- Haben Sie eigene Kontakte im Gastland und kennen mögliche Gastfamilien? Fragen Sie bei den Organisationen nach den Möglichkeiten einer Direktplatzierung. Wenn möglich im Voraus mit der Gastfamilie Kontakt aufnehmen.
- Nur Verträge mit Schweizer Organisationen unterschreiben oder solchen, die einen Gerichtsstand in der Schweiz vorsehen. Dies erspart im Notfall mühsame Gerichtsverfahren im Ausland.
- Weitere Infos:
Intermundo (Non-Profit-Jugendaustausch-Organisation),
Tel. 031 326 29 20,
www.intermundo.ch.
Deutsche Aktion Bildungsinformation,
Tel. 0049 711 220 216 30,
www.abi-ev.de.
Rücktritt: Das Risiko liegt bei den Kunden
Ein Vergleich der Verträge der drei Austauschorganisationen AFS, YFU und international Experience (iE) zeigt:
- AFS zahlt bei Rücktritt ab einem Monat vor Reiseantritt kein Geld mehr zurück – unabhängig vom Rücktrittsgrund. Auch YFU sieht keine Rückerstattung von Anzahlungen vor. Die iE zahlt laut eigenen Angaben bei Rücktritt vor Reisebeginn in jedem Fall die nicht verbrauchten Gelder für Schule, Visa usw. zurück.
- Nach Abreise gibt es bei keiner der drei Organisationen Geld zurück.
- Gerichtsstand bei Streitigkeiten: Bei AFS New York, YFU und iE sind in der Schweiz einklagbar.