Wir haben heuer sauber aufgeräumt», freut sich Paul Lappert. Der Präsident der Burgergemeinde Schoren ob Langenthal BE ist Mitinhaber von 76 Hektaren Wald. «Die nach dem Fällen der Bäume herumliegenden Äste, Baumkronen und Rinden sind weg und verkauft.» Man habe 21 bis 40 Franken pro Kubikmeter Holz erhalten. Das decke die Kosten allerdings nicht.
Für Hans Gerber vom Dachverband der Waldeigentümer ein klarer Fall: «Beim Sammeln von Restholz im Wald legt man drauf. Mehr noch: Dem Waldboden werden so wichtige Nährstoffe entzogen. Man bestraft sich also doppelt.» Oder gar dreifach.
Wer Totholz nicht wegräumt, erhält Entschädigungen
Laut Bruno Röösli vom Bundesamt für Umwelt könnten Waldbesitzer sogar Geld verdienen. Das heisst konkret: Lassen sie das Totholz «über eine bestimmte Dauer» im Wald liegen, werden sie dafür vom Bund «im Rahmen der Programmvereinbarung Waldbiodiversität» entschädigt. Je nach Kanton erhalten die Waldbesitzer pro Hektare jährlich mehrere hundert Franken.
Bleibt die Frage, weshalb viele Forstbetriebe das Waldrestholz dennoch unbedingt verkaufen wollen. Zum Beispiel der Zürcher Erdgasversorger Energie 360°. Er preist mit fragwürdigen Werbespots einheimisches Holz an.
Oliver Thees von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft hat folgende Erklärung: «Die Holzpreise waren lange Zeit tief. Es wurde deshalb rekordverdächtig wenig Holz geschlagen. Trotzdem sollen die Angestellten in der kleinstrukturierten Forstwirtschaft beschäftigt bleiben, um den Wald zu pflegen und den Bedarf nach erneuerbarer Energie zu befriedigen.» Im Klartext: Die Angestellten sammeln zur Jobsicherung Brennholz, auch wenn es nicht kostendeckend verkauft werden kann. Die Waldbesitzer selbst sagen, Spaziergänger würden es nicht schätzen, wenn Holz herumliegt. Gemäss Hans Gerber gibt es aber viele Wälder, in denen das Totholz einfach vermodern kann.
Der Putzwahn bedroht Lebensraum von 6000 Tier- und Pflanzenarten
Das Bundesamt für Umwelt stellt im Schweizer Mittelland zwischen Genfersee und Bodensee einen beunruhigenden Mangel an Totholz fest. Im Bericht «Alt- und Totholz» aus dem Jahre 2010 schreibt das Bundesamt, dass wegen des Mangels «ein Fünftel der Artenvielfalt des Waldes bedroht» sei. «Das sind über 6000 verschiedene Arten von Tieren und Pflanzen, die auf dieses Totholz als Lebensraum und Nahrungsquelle angewiesen sind, darunter über 1200 verschiedene Käfer.»
Das Bundesamt habe die «Totholzdefizite» jedoch im Radar, heisst es. Der Bund will nächstes Jahr mit den Kantonen über neue Programme zur gezielten Förderung des Alt- und Totholzanteils verhandeln. Doch bereits heute ist gemäss dem Bericht «Alt- und Totholz» klar: «Das Wissen ist vorhanden, die Waldnutzer können sofort ökologisch und ökonomisch sinnvoll handeln.»
Keine Pellets vom Waldboden
In einem Werbespot der Zürcher Energie 360°, dem grössten Erdgasversorger der Schweiz, sammeln und stapeln kleine Kinder zur besten Fernsehzeit mitten im Wald fleissig Äste und Rindenstücke. «Aus dem Holz kann man Holzpellets machen», kommentiert eine herzige Kinderstimme das muntere Tun. Mitnichten! Die Energie 360° AG verkauft die Kinder im Spot genauso für dumm wie die gutgläubigen Fernsehzuschauer, und zwar ganz bewusst. Denn Iris Isenschmid, Leiterin Marketing und Kommunikation der Energie 360° AG, weiss es auf Anfrage von saldo sofort besser: «Holzpellets werden aus Sägemehl und Hobelspänen produziert, also aus Restholz der Holzverarbeitung. Wir wollen mit den Kindern im Wald nur bildlich zeigen, dass das Holz unserer Pellets zum Heizen aus der Region stammt.»
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