Runderneuerte – sprich aufgummierte – Reifen sind günstiger als neue Pneus. So gibt es etwa den «King-Meiler-HPZ»-Sommerreifen bei Reifenonline.ch für 43 Franken (Grösse 195/65 R15 91H). Der vergleichbare Neureifen «Semperit Comfort-Life 2» kostet einen Drittel mehr. Für einen runderneuerten Sommerreifen «Insa Turbo Ecoevolution Plus» zahlt man 60 Franken (Grösse 205/50 R17 89V). Der neue vergleichbare «Kleber Dynaxer HP 4» ist 18 Franken teurer.
Runderneuerte Pneus sind nicht nur günstiger, sondern laut dem Bundesamt für Umwelt auch «ökologisch sinnvoll». Das zeigt eine Ökobilanz der Reifenfirma Continental: Danach verbraucht die Herstellung eines neuen Pneus 25 Mal so viel Wasser, doppelt so viel Energie und 1,4 Mal so viele Werkstoffe wie die Runderneuerung eines Reifens. Ein Neureifen produziert zudem bei der Herstellung zwei Mal so viel Treibhausgase und sorgt für 187 Mal mehr Abfall. Und: 2018 verbrannten die Schweizer Zementfabriken rund fünf Millionen Altreifen (saldo 11/2018).
In der Schweiz ist Nachfrage nach runderneuerten Reifen noch klein. Im vergangenen Jahr importierten die Händler insgesamt 7,8 Millionen Neureifen und nur etwa 50 000 runderneuerte Pneus. Das zeigen Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung. Internethändler wie Reifen-online.ch oder Reifen-direkt.ch führen Runderneuerer nicht einmal in ihrer Herstellerliste auf. Grund: Die Händler verdienen an teuren Neureifen in der Regel mehr als an preisgünstigen runderneuerten Pneus.
Dazu kommen Sicherheitsbedenken. Ein Sprecher des Touring Club Schweiz (TCS) erinnert an einen Reifentest, der vor acht Jahren durchgeführt wurde. Ein runderneuerter Pneu der Marke Marangoni Verso fiel auf nasser Fahrbahn durch. Er bekam die Note «nicht empfehlenswert».
«Gleiche Leistung wie vergleichbare Neureifen»
Obika Julius von der Reifen Hinghaus GmbH im deutschen Missen sagt dazu: «Das sind überholte Vorurteile.» Früher sei die Runderneuerung von Altreifen in der Schweiz und Deutschland wenig ausgereift gewesen. In den vergangenen Jahren habe die Technik aber Fortschritte gemacht. Seine Firma verwende fast nur Premium-Karkassen als Ausgangsmaterial (siehe Kasten). Im vergangenen Jahr habe sie rund 250 000 runderneuerte PKW-Reifen produziert, etwa solche der Marke King Meiler. Julius sagt: «Unsere Reifen können qualitativ mit guten Markenprodukten mithalten.» Das zeigen auch Ausdauer-, Belastungs- und Bremstests von vier erneuerten Pneus, die saldo vorliegen.
Der Chef eines privaten Prüflabors in Norddeutschland kommt zu einem ähnlichen Urteil. Sein Labor testet regelmässig Reifen von Personenwagen. Seine Erfahrung: «Die Ergebnisse zeigen, dass runderneuerte Reifen die gleiche Leistung haben wie vergleichbare Neureifen.»
Zumindest bei Spediteuren sind aufbereitete Pneus beliebt. Über 60 Schweizer Transportfirmen gummieren die Pneus ihrer Lastwagen neu auf. Laut Nils Ernst von Pneu Ernst in Hinwil ZH haben diese in der Regel keine längeren Bremswege und nutzen sich nicht schneller ab als Neureifen. Der gewichtige Vorteil: «Die Bereifungskosten sinken um bis zu 35 Prozent.»
Neues Leben für alte Reifen
Wenn die Laufflächen von Personenwagenpneus abgefahren sind, haben diese höchstens 20 Prozent ihrer Masse verloren. Sie lassen sich aufbereiten, wenn ihre Karkasse – das tragende Gerüst im Gummireifen – noch intakt ist. Computergestützte Spezialmaschinen schleifen dann den Gummi an den Laufflächen und Seitenwänden ab, ohne den Reifen zu verletzen. Auf die abgeschliffene Karkasse kommt eine neue Gummischicht. Unter hohem Druck und mit grosser Hitze wird das neue Profil in den Pneu hineinvulkanisiert. Jeder runderneuerte Reifen durchläuft mehrere Prüfvorgänge, bevor er die Fabrik verlässt. Reifen von Personenwagen lassen sich nur einmal runderneuern, Pneus von Lastwagen drei Mal, Flugzeugreifen bis zu sechs Mal.