Der Kläger ist 60 Jahre alt. Sieben Jahre lang arbeitete er Teilzeit als Pizzaiolo in einer Pizzeria, die seinem Neffen gehört. Nach einer Auseinandersetzung am Arbeitsplatz erhielt er keinen Lohn mehr. Nun fordert er vom Neffen drei Monatslöhne für die Dauer der Kündigungsfrist und zusätzlich zwei Monatslöhne Entschädigung wegen missbräuchlicher fristloser Kündigung – total 4000 Franken.
Onkel wie Neffe erscheinen vor dem Einzelrichter des Richteramts Solothurn-Lebern mit ihren Anwälten. Die Anwältin des Angestellten erklärt dem Richter, dass es in der Pizzeria am 1. August 2013 zu einem heftigen Streit zwischen den Parteien gekommen sei. Angefangen habe es damit, dass ihr Klient einen Mitarbeiter gebeten habe, einen Teller zu holen. Der Kollege habe sich geweigert und ihren Klienten beschimpft: Das könne er selber machen. Dabei habe ihm der Mitarbeiter die Pizzaschaufel gegen den Hals gedrückt.
Dann sei der Neffe dazugekommen. Es habe ein Handgemenge gegeben und der Kläger sei hingefallen. Statt ihm zu helfen, hätten Mitarbeiter und Neffe gedroht: «Wir machen dich kaputt und schieben dich in den Ofen.» Gleichzeitig habe der Neffe wild gestikuliert und den Onkel angeschrien, er könne gehen und brauche auch gar nicht mehr zu kommen.
Chef sagt, der Pizzaiolo sei einfach nicht mehr zur Arbeit gekommen
Der Anwalt des beklagten Arbeitgebers erzählt eine andere Geschichte. Der erwähnte Mitarbeiter habe zum Kläger gesagt, er solle mehr Knoblauch auf die Pizza legen. Daraufhin sei dieser ausgerastet. Der Neffe habe versucht, den Onkel zu beruhigen. Doch dieser sei wutentbrannt mit der Pizzaschaufel auf ihn losgegangen und habe ihm gesagt, er solle sich nicht einmischen.
Nur mit Mühe sei es dem Neffen zusammen mit dem Mitarbeiter gelungen, den Kläger zu beruhigen. Dieser habe gerufen: «Ich bin nicht mehr dein Onkel und werde auch nicht mehr für dich arbeiten.» Dann sei er aus der Pizzeria gestürmt und nicht mehr zur Arbeit erschienen.
Der Einzelrichter beginnt mit der Befragung des Mitarbeiters. Dieser bestätigt die Version des Neffen. «Genau so ist es gewesen.» Er selbst sei am nächsten Tag wieder normal arbeiten gegangen. «Den Kläger habe ich nicht gesehen.» Das sei auch nicht verwunderlich, ruft dieser dazwischen. Der Neffe habe ihn ja fristlos entlassen. Falsch, sagt dieser. Er habe am 2. August vergeblich auf seinen Onkel gewartet. Dieser sei unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen und habe sich auch später nicht gemeldet.
Pizzaiolo schlägt einen Monatslohn als Entschädigung aus
Dass sich der 60-Jährige nicht gemeldet habe, sei logisch, sagt seine Anwältin. Er sei davon ausgegangen, dass er wegen der fristlosen Kündigung nicht mehr zur Arbeit erscheinen müsse. Es sei am Neffen zu beweisen, dass sein Onkel den Job ungerechtfertigt verlassen und seine Arbeit nicht mehr angeboten habe.
Das sieht der Anwalt des beklagten Neffen anders. Der Pizzaiolo habe selbst fristlos gekündigt. «Damit war das Arbeitsverhältnis ohne Lohn- und Entschädigungsfolgen beendigt.»
Der Richter fragt die Parteien, ob sie bereit wären, sich in einem Vergleich zu einigen. Die Klägeranwältin meint, ihr Klient sei mit 1600 Franken einverstanden. Der Anwalt des Chefs sagt, der Neffe zahle höchstens 800 Franken. Das sei zu wenig, findet der Onkel nach kurzer Bedenkzeit.
Verfahren kostenlos, doch Anwaltskosten für Gegenpartei fällig
Deshalb fällt der Einzelrichter nun doch ein Urteil. Er weist die Klage ab. Dem Kläger sei es nicht gelungen zu beweisen, dass ihn sein Neffe fristlos entlassen habe. Und auch wenn dem so gewesen wäre, hätte er sich nochmals zur Arbeit melden sollen.
Aus juristischer Sicht handle es sich um eine Auflösung des Arbeitsvertrags in gegenseitigem Einvernehmen. Lohn- und Schadenersatzforderung seien nicht gerechtfertigt.
Statt Geld zu erhalten, muss der Onkel dem Neffen 3500 Franken für seine Anwaltskosten zahlen. Immerhin: Arbeitsrechtliche Verfahren bis 30 000 Franken Streitwert sind kostenlos, und so fallen keine Gerichtsgebühren an. Auch die Kosten der eigenen Anwältin muss der Kläger nicht tragen. Das Gericht gewährte ihm die unentgeltliche Rechtspflege.
Fakten rechtzeitig klarstellen
Eine fristlose Entlassung darf mündlich ausgesprochen werden. Das kann zu Problemen führen, wenn unklar ist, was genau vorgefallen ist, und Aussage gegen Aussage steht. Deshalb sollten Angestellte umgehend die Fakten klarstellen. Wer zu Unrecht fristlos entlassen worden ist, sollte sofort mit eingeschriebenem Brief dagegen protestieren und zugleich seine Arbeitskraft weiterhin anbieten.
Wenn unbestritten ist, dass jemand entlassen wurde, aber die fristlose Kündigung angefochten wird, ist der Arbeitgeber beweispflichtig. Das bedeutet: Vor Gericht muss er nachweisen können, dass «wichtige Gründe» für eine sofortige Entlassung vorlagen und dass eine weitere Zusammenarbeit während der Dauer der Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Die Gerichte legen die Hürde hoch: Gründe für eine «Fristlose» kann ein Delikt, Verrat von Geschäftsgeheimnissen oder Arbeitsverweigerung sein.