Rezeptpflichtige Medikamente bezieht man in der Apotheke. Dort arbeiten Profis. Doch wie gut beraten sie die Kunden? Das wollte saldo schon vor sechs Jahren wissen. Damals zeigte sich: Viele Apotheken warnten nicht vor riskanten Wechselwirkungen und nur wenige wiesen auf günstige Generika hin (saldo 20/2013).
Und heute? saldo besuchte wiederum je vier Apotheken in Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Zürich. Die Testkunden verlangten bei zwei Besuchen ein rezeptpflichtiges und ein rezeptfreies Präparat. Kombiniert eingenommen, können sie gesundheitliche Schäden hervorrufen.
Beim ersten Besuch legten die Testkäufer Arztrezepte für das Antidepressivum Efexor vor und verlangten anschliessend das Hustenmittel Bexin. Bei der Kombination der beiden Präparate kann gemäss Packungsbeilage von Efexor das lebensbedrohliche Serotoninsyndrom auftreten. Das gilt auch für Efexor-Generika.
Hinweis auf die Gefahr gemäss Apothekerverband zwingend
Die kombinierte Einnahme kann zu Veränderungen der Funktionen im Gehirn, in den Muskeln und im Verdauungstrakt führen. saldo prüfte, ob die Apotheken dieses Problem erkannten, den Sachverhalt gegenüber dem Kunden erwähnten und eine Alternative vorschlugen.
15 der 20 besuchten Apotheken gaben bei der aktuellen saldo-Stichprobe zugleich das Antidepressivum und das Hustenmittel ab. 2013 waren es 16 von 20 Apotheken. Von den 15 Apotheken in der aktuellen Stichprobe verkauften 13 das günstige Efexor-Generikum Venlafaxin. 2013 waren es noch 6 Apotheken.
Erschreckend: Nur 6 der 20 Apotheken wiesen auf das Serotoninsyndrom hin – wie in der Stichprobe 2013. Von den aktuell 15 Apotheken, die beide Medikamente verkauften, wies einzig die Zürcher Löwen-Apotheke auf eine mögliche Wechselwirkung hin.
Der Apothekerverband Pharmasuisse kritisiert die Apotheken: «Der Patient muss darauf hingewiesen werden, dass sich die beiden Medikamente nicht vertragen.» Für das rezeptfreie Medikament gegen Husten gebe es Alternativen, die in Kombination mit dem rezeptpflichtigen Medikament unbedenklich sind.
Beim zweiten Besuch gaben die Testkunden ein Arztrezept für den Blutverdünner Plavix ab und baten um das Schmerzmittel Aspirin. Die Kombination der beiden Medikamente erhöht die Gefahr innerer Blutungen, denn Aspirin wirkt ebenfalls blutverdünnend. Gemäss den Fachinformationen des Arzneimittelkompendiums zu Plavix ist bei der Kombination beider Medikamente «Vorsicht geboten». Und: «Diese Patienten sollten hinsichtlich jeglicher Blutungszeichen sorgfältig überwacht werden, besonders während der ersten Behandlungswochen.»
Insgesamt arbeiteten nur drei Apotheken vorbildlich
Positiv: Nur eine Apotheke verkaufte Plavix und Aspirin ohne Warnung vor der Blutungsgefahr. 2013 gaben noch vier Apotheken Plavix und Aspirin ohne Warnung ab. Negativ:
7 von 20 verkauften den Blutverdünner Plavix, ohne auf ein Generikum hinzuweisen.
Fazit: Nur 3 der 20 getesteten Apotheken arbeiteten vorbildlich und erwähnten bei beiden saldo-Besuchen sowohl die Wechselwirkungen wie auch die Generika und die Alternativen zu den rezeptfreien Medikamenten: die Cysat Apotheke in Luzern, die Gallus Apotheke in St. Gallen sowie die Care-Land Apotheke in St. Gallen.
saldo hat die Apotheken mit den Ergebnissen konfrontiert. Viele wollten nicht Stellung nehmen. Sie gaben an, die Ergebnisse intern zu prüfen. Der Verantwortliche der Christoffel-Apotheke in Bern schreibt: «Sollte der Testkäufer bei uns Plavix und Aspirin erhalten haben, ohne auf die Interaktion aufmerksam gemacht worden zu sein, ist bei uns ein Fehler passiert.»
Die See-Apotheke in Luzern hält fest, dass die Interaktion zwischen Efexor und Bexin auf die «Stufe 5 (schwächste Wechselwirkung)» gesetzt sei. Deshalb sei der saldo-Testkäufer nicht informiert worden. Die beiden Amavita-Apotheken in Bern und St. Gallen sagen, dass sie ihre Mitarbeiter darauf hinweisen werden, «mögliche Interaktionen unabhängig von ihrem Schweregrad in jedem Fall mit dem Kunden zu besprechen».
Hans Peter Schaffhauser von der Cysat Apotheke in Luzern ist erfreut. Seine Apotheke gehört zu den drei vorbildlichen Apotheken der saldo-Stichprobe: «Das Resultat zeigt mir und meinem Team, dass sich unsere Bemühungen bezüglich Qualitätssicherung sowie die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung lohnen.»
In diesen 20 Apotheken hat saldo die Beratung geprüft
Basel: Benu-Apotheke Barfüsser, City-Apotheke, Goldene Engel Apotheke, Bahnhofapotheke Drogerie
Bern: Amavita-Bahnhofapotheke, Christoffel-Apotheke, Apotheke Hörning, Hirschgraben-Apotheke
Luzern: Benu-Bahnhofapotheke, Cysat Apotheke, Alte Suidtersche Apotheke, Dr. Schmid’s See-Apotheke
St. Gallen: Amavita-Apotheke Poststrasse, Care-Land Apotheke, Gallus Apotheke, Rathaus- Apotheke
Zürich: Amavita-Apotheke Shopville, Löwen Apotheke, Toppharm-Apotheke Paradeplatz, Werd-Apotheke