Antibiotika können für Kleinkinder riskant sein. Die Medikamente stehen im Verdacht, die Aufmerksamkeitsdefizitstörung ADHS und Autismus zu begünstigen. Das zeigt eine schwedische Studie. Betroffen sind vor allem Kinder im Alter unter zwei Jahren – aber auch Föten, wenn Schwangere Antibiotika schlucken. Die schwedischen Forscher untersuchten im Zeitraum von 2006 bis 2016 fast eine halbe Million Kleinkinder. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse Ende 2023.
Der Arzt Urspeter Masche von der Schweizer Ärzteplattform Infomed hat die Studie analysiert und kommt zum Schluss: Antibiotika könnten die Darmflora verändern, dies sei «ungünstig» für die Hirnentwicklung der Kinder.
Noch immer setzen Ärzte viel zu oft auf Antibiotika. Gemäss einer Umfrage des Bundesamts für Gesundheit schlucken 19 Prozent der Bevölkerung Antibiotika. Das heisst konkret: Fast jeder Fünfte erhält nach einem Besuch beim Arzt Antibiotika. «Es werden zu viele Antibiotika abgegeben», sagt der Infektiologe Philip Tarr vom Kantonsspital Baselland. «Viele nehmen die Mittel vergeblich.» So etwa bei entzündeten Bronchien. Das sei unnötig, sagt Tarr: «In den allermeisten Fällen sind nicht Bakterien die Ursache der Entzündung, sondern Viren. Antibiotika wirken aber nur, wenn Bakterien der Grund sind.»
Oft helfen fiebersenkende Medikamente
Antibiotika lindern auch keine Grippebeschwerden wie zum Beispiel Husten, Halsweh oder Fieber. Tarr: «Wenn die Schmerzen auszuhalten sind und das Fieber nicht zu hoch ansteigt, kann man gut zwei Tage warten und schauen, wie sich die Krankheit entwickelt.»
Kinderarzt Bernhard Wingeier von der Klinik Arlesheim BL sagt: «Wichtig ist, dass sich Eltern für das Kind Zeit nehmen und den Krankheitsverlauf beobachten.» Wingeier empfiehlt natürliche Mittel wie Zwiebelwickel. Falls nötig könne man auch fiebersenkende Mittel wie Dafalgan oder Algifor geben.
Dasselbe gilt bei Mandelentzündungen. «Auch wenn Bakterien der Grund sind, etwa Streptokokken bei einer Mandelentzündung, muss man nicht reflexartig ein Antibiotikum schlucken», sagt Philip Tarr. Bei Mittelohr- und Nebenhöhlenentzündungen ergeben Antibiotika ebenfalls keinen Sinn.
In einigen Fällen kommt man nicht um Antibiotika herum
Erwachsene können auch bei Blasenentzündungen auf Antibiotika verzichten. «Eine entzündete Blase heilt meistens von allein», sagt Infektiologe Tarr. «Was es dafür braucht: viel trinken, eine warme Bettflasche auf den Unterbauch und ein Schmerzmittel wie Dafalgan oder Ibuprofen.» Eine Ausnahme gelte für Schwangere. Ohne Antibiotika würden sie eine Nierenbeckenentzündung riskieren und es könne zu Schwangerschaftskomplikationen kommen.
Riskant ist eine Blasenentzündung auch für Kleinkinder, sagt Kinderarzt Wingeier: «Bei Säuglingen und Kleinkindern mit einer entzündeten Blase besteht die Gefahr, dass die Bakterien auf die Nieren übergehen, sich dort ausbreiten und die Nieren schädigen.» Auch eine Lungen- oder Hirnhautentzündung muss gemäss Philip Tarr im Spital mit Antibiotika behandelt werden.
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