Das Geld sparte ich mir vom Mund ab, es war fürs Alter gedacht», erklärt die Frau zu Beginn der Verhandlung vor den drei Richtern des Kreisgerichts. «Hätte ich geahnt, dass dies ein derart riskantes Geschäft ist, wäre ich sicher nicht darauf eingegangen.»
Ihr Anwalt rollt dann die Geschehnisse im Detail auf. Für die Klägerin begann das Drama kurz vor Weihnachten 2012. Die Anlageberatungsfirma in Oberbüren SG, welche die Frau in Finanz-, Vorsorge- und Versicherungsbelangen beriet, vermittelte ihr für knapp 90 000 Franken Aktien der Investmentgesellschaft Santander Estate AG in Zug. Dafür setzte die Frau ihr ganzes Vermögen ein. «Die Berater gingen gezielt auf Kundenfang und versprachen meiner Mandantin das Blaue vom Himmel», sagt der Anwalt. Die Beratung sei «absolut unsorgfältig» gewesen, der Klägerin seien «Schrottpapiere» verkauft worden. Dafür habe die Beratungsfirma von der Santander Estate hohe Provisionen erhalten.
Die Santander Estate bezeichnete sich selber als «Partner für eine stabile und nachhaltige Zukunft». Die Firma suchte von 2010 bis 2013 Kunden für Investitionen ins Fussballgeschäft. Der Preis pro Aktie betrug 8 Franken. Nach dreieinhalb Jahren kaufe man die Papiere für 11 Franken wieder zurück, versprach die Investmentfirma. Den Gewinn wollte Santander gemäss Verkaufsunterlagen mit «Beteiligungen an Sportlerlizenzen im Transfermarkt» erwirtschaften. Tatsächlich verfügte sie aber weder über Fussballtransferrechte noch über andere Sportlizenzen.
In der Kasse fand der Liquidator noch 633 Franken
Im Jahr 2014 schritt die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) gegen die Santander Estate AG ein und eröffnete den Konkurs. Laut Finma-Bericht hatte die Firma «ohne amtliche Erlaubnis Publikumsgelder eingesammelt». In der Kasse fand der Konkursliquidator noch Fr. 633.85 vor. Diesem Betrag stünden Forderungen von Gläubigern von 2,79 Millionen Franken gegenüber.
Auch die Anlageberatungsfirma, die der Anlegerin die Aktien vermittelt hatte, ging 2019 in Konkurs. «Die zwei Inhaber traten ihre Anteile an der alten Firma einem andern ab und erhielten für ihre neugegründete Beratungsfirma mit fast gleichem Namen den Kundenstamm, die Verkaufsberater, das Inventar sowie die Räumlichkeiten mit der gleichen Adresse», sagt der Anwalt der Klägerin. Damit sei erwiesen, dass das neue Unternehmen auch die Schulden der alten Firma übernommen habe. Aus diesem Grund fordere seine Mandantin nun die knapp 90 000 Franken von der Nachfolgefirma zurück.
Der gegnerische Anwalt weist das zurück: Das neue Unternehmen habe nichts mit der früheren Firma zu tun. Es gebe auch nichts Schriftliches, welches das Gegenteil belegen würde. Eine Schuldübernahme habe also weder stattgefunden, noch könne sie nachgewiesen werden. «Die Klägerin tut mir sehr leid. Sie wurde getäuscht – aber meine Mandantin hat nichts damit zu tun.»
Das Gericht sieht es anders: Es habe sehr wohl eine Vermögensübertragung stattgefunden. «Aber die Gesellschafter hielten sich nicht an die gesetzlichen Vorschriften», sagt der Gerichtspräsident. Da die beklagte Firma den gesetzlich vorgeschriebenen Vertrag zur Vermögensübertragung nicht vorlegen könne, hafte sie für die geschuldeten 90 000 Franken. Zudem muss sie 9000 Franken Gerichtsgebühren und der Frau 14 000 Franken für Anwaltskosten zahlen.
Anlageberater muss das Produkt kennen
Ein Anlageberater ist gesetzlich verpflichtet, das Produkt zu kennen, das er dem Kunden empfiehlt. Denn nur dann ist er überhaupt in der Lage, sowohl die Tauglichkeit einer Anlage als auch deren Eignung für den Kunden abzuschätzen. Gemäss seinen Konsultationspflichten muss er sich zudem auf zuverlässige Quellen und eine breite Informationsbasis stützen. Er ist auch verpflichtet, seine Kunden über alle Risiken zu informieren, die mit dem Kauf des Produkts verbunden sind. Verletzt er seine vertraglichen Pflichten, wird er gegenüber dem Kunden schadenersatzpflichtig.