Ein erfolgreicher Geschäftsmann Mitte Fünfzig kaufte vor zehn Jahren im Berner Oberland eine 5½-Zimmer-Wohnung. Das Penthouse ist von einer 150 Quadratmeter grossen Dachterrasse umgeben, die ihm zur alleinigen Benutzung offensteht. Die Terrasse ist mit einem üppigen Garten begrünt.
Eines Tages tropfte Wasser von der Decke der zweitobersten Wohnung. Der beigezogene Fachmann empfahl der Eigentümergemeinschaft eine umfassende Sanierung des Flachdachs, das schon fast vierzig Jahre auf dem Buckel hatte.
Die Eigentümergemeinschaft traktandierte den Beschluss über die Dachsanierung für die nächste Versammlung. Nach fast zwei Stunden Diskussion stimmte die Mehrheit der Sanierung für 125 000 Franken zu. Sie beschloss auch, dass kein Humus mehr aufs Dach kommen dürfe. Damit hätte der Penthouse-Besitzer seine Pflanzen entfernen müssen und nur noch zehn Blumentröge aufstellen dürfen.
Der Penthouse-Eigentümer kämpft um sein blühendes Reich
Er wehrt sich gegen diese Einschränkung und klagt beim Regionalgericht Oberland in Thun. Sein Anwalt fordert, der Beschluss der Eigentümerversammlung sei aufzuheben. Das alleinige Benutzungsrecht an der Dachterrasse dürfe ohne Einverständnis seines Mandanten laut Gesetz gar nicht eingeschränkt werden.
Umstritten ist, wann das blühende Reich entstand. Vor der Versammlung machten Gerüchte die Runde, wonach der Garten auf der Terrasse im Nachhinein mit viel Humus vergrössert worden sei. Das bestreitet der Anwalt und überreicht dem Gerichtspräsidenten einen Plan. «Man sieht hier, dass schon damals Pflanzen eingezeichnet waren, und zwar nicht Gräser und Sträucher, sondern ganze Bäume», erläutert er. Die Bepflanzung und das Ausmass der Humusschicht seien heute gleich wie vor vierzig Jahren.
Der Anwalt der Stockwerkeigentümergemeinschaft widerspricht. Als das Haus gebaut worden sei, habe man die Dachterrasse nur bekiest. Im Laufe der Jahre sei dort «ohne Zustimmung der Stockwerkeigentümergemeinschaft» ein grosser Garten entstanden. Der eingereichte Plan gehöre zur Verkaufsdokumentation vor zehn Jahren, nicht zum früheren Bau.
Vor allem die hochstämmigen Sträucher und Bäume sind der Eigentümergemeinschaft ein Dorn im Auge. Sie befürchtet Schäden durch die Wurzeln. Ein weiterer Streitpunkt sind die Kosten für die Entfernung der Bepflanzung: Der Humus und die Pflanzen gehörten dem Penthouse-Besitzer und nicht der Eigentümergemeinschaft, sagt ihr Anwalt. Der Geschäftsmann müsse sie also auf eigene Kosten wegräumen, damit das Flachdach saniert werden könne. Das Dach nach der Sanierung wieder zu begrünen, sei «nicht Sache der Eigentümergemeinschaft». Er verlangt die Abweisung der Klage. Zugleich bietet er aber Hand zu einem Kompromiss. Hochstämmige Pflanzen kämen nicht in Frage, meint er. Gegen eine «normale, nicht zu hohe Begrünung» sei aber kein Widerstand zu erwarten.
Diskussion um Pflanzenarten und Wurzeltiefen
Die Vergleichsgespräche ziehen sich über mehrere Stunden hin. Am Ende ist die Angst vor dem Wald auf dem Dach gebannt und ein Kompromiss gefunden.
Der Geschäftsmann zieht seine Klage gegen den Sanierungsbeschluss zurück. Im Gegenzug trägt die Eigentümergemeinschaft die Kosten für eine neue Humusschicht von 20 bis 25 Zentimetern an genau bezeichneten Stellen. Für die neue Bepflanzung kommt der Penthouse-Eigentümer selber auf. Er verpflichtet sich, auf Bäume und Sträucher mit einer Wurzeltiefe von mehr als 15 Zentimetern zu verzichten. Zudem übernimmt er die Gerichtskosten in der Höhe von 5000 Franken.
So fassen die Eigentümer gültige Beschlüsse
Die Versammlung der Stockwerkeigentümer muss mindestens einmal pro Jahr tagen. Beschlüsse sind nur gültig, wenn mehr als die Hälfte aller Eigentümer anwesend sind. Diese müssen gleichzeitig über die Hälfte der gesamten Stockwerkanteile verfügen.
Das Dach eines Hauses gehört allen, nicht nur dem Besitzer der obersten Wohnung. Deshalb müssen auch alle über die Sanierung eines Daches entscheiden und die Kosten tragen. Dabei handelt es sich um notwendigen Unterhalt. Somit genügt für den Entscheid die Mehrheit der an der Stockwerkeigentümerversammlung anwesenden und vertretenen Mitglieder der Gemeinschaft.