Angereicherte Lebensmittel: Nutzen nicht erwiesen
Viele Hersteller behaupten, ihre mit Nährstoffen angereicherten Lebensmittel brächten einen gesundheitlichen Nutzen. Doch meist fehlt dafür der wissenschaftliche Beweis.
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saldo 06/2010
27.03.2010
Letzte Aktualisierung:
30.03.2010
Eric Breitinger
Die Omega-3-Fettsäuren haben einen guten Ruf: Sie schützen angeblich vor Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, beugen Depressionen vor und fördern die Intelligenz. Hersteller Thomy reichert daher seine Mayonnaise neu mit Omega-3-Fettsäuren aus Raps- und Sonnenblumenöl an und verlangt für Mayo Omega 3 bis doppelt so viel wie für seine normale Mayonnaise. Die Nestlé-Tochter verspricht: «Omega-3-Fettsäuren tragen zu einer ausgewogenen Ern&aum...
Die Omega-3-Fettsäuren haben einen guten Ruf: Sie schützen angeblich vor Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, beugen Depressionen vor und fördern die Intelligenz. Hersteller Thomy reichert daher seine Mayonnaise neu mit Omega-3-Fettsäuren aus Raps- und Sonnenblumenöl an und verlangt für Mayo Omega 3 bis doppelt so viel wie für seine normale Mayonnaise. Die Nestlé-Tochter verspricht: «Omega-3-Fettsäuren tragen zu einer ausgewogenen Ernährung bei.»
Ernährungsexperte Kaspar Berneis vom Unispital Zürich stellt klar: «Mayonnaise ist auch nach Anreicherung mit Omega-3-Fettsäuren kein Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung.» Mayonnaise sollte man wegen ihres hohen Fettanteils nicht regelmässig essen.
Immer mehr Werbung mit Gesundheitsversprechen
Fraglich ist zudem, ob der Konsum solcher Lebensmittel der Gesundheit überhaupt etwas bringt. So werteten Forscher des Wissenschafter-Netzwerkes Cochrane knapp 100 Studien zum Thema aus. Fazit: Es gibt keinen klaren wissenschaftlichen Beweis, dass extra verabreichte Omega-3-Fettsäuren vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. Ein Schutzeffekt für Krebs liess sich ebenfalls nicht belegen.
Immer mehr Hersteller reichern dennoch Lebensmittel mit Nährstoffen an, erhöhen die Preise und werben mit der Behauptung, dass ihre Produkte gesund machen. Das verfängt bei vielen Konsumenten: Der Absatz dieses Functional Food ist in Westeuropa laut der Marktforschungsfirma Euromonitor zwischen 2004 und 2007 um 10,2 Prozent pro Jahr gestiegen.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat 939 solcher «gesundheitsbezogener Angaben» auf Lebensmitteln überprüft. Ergebnis: Nur 180 Aussagen sind aus EFSA-Sicht wissenschaftlich korrekt, 759 lehnte sie ab. Laut EFSA-Sprecherin Lucia de Luca fehlten bei ihnen die wissenschaftlichen Nachweise eines Nutzens, positive Ergebnisse bei Menschentests oder aber klare Angaben zu den Inhaltsstoffen.
Die EFSA wird bis 2011 über 3000 weitere Werbeaussagen prüfen. So fordert es die im Jahr 2007 in der EU in Kraft getretene Health-Claims-Verordnung, die den Wildwuchs an Gesundheitsversprechen eindämmen soll. In einem nächsten Schritt wird die EU die durchgefallenen PR-Sprüche verbieten, bei einigen hat sie das bereits getan.
Konzerne wie Ferrero oder Lipton zurückgepfiffen
Die Schweiz wird die «neuen Bestimmungen» laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) «wahrscheinlich» übernehmen. So darf Ferrero Kinderschokolade bald auch in der Schweiz nicht mehr mit der Botschaft «Hilft beim Wachsen» vermarkten. Lipton darf nicht mehr damit werben, dass sein Schwarztee aus Camellia sinensis «die Konzentrationsfähigkeit unterstützt». In beiden Fällen hielten die EFSA-Wissenschafter die Belege für zu dünn. Milchproduzenten dürfen für 170 probiotische Joghurts oder Milchprodukte keinen gesundheitlichen Nutzen mehr propagieren.
Kein Ausgleich für einen ungesunden Lebensstil
Ob Thomy den Spruch «Omega-3-Fettsäuren tragen zu einer ausgewogenen Ernährung bei» je der EFSA vorlegen wird, ist offen. Denn die Mayo Omega 3 ist laut Firmenangaben nur in der Schweiz erhältlich und unterliegt damit nicht der EFSA-Aufsicht. Die EFSA hat bisher 18 von 78 Anträgen zu Omega-3-Fettsäuren abschliessend beurteilt.
Die Behörde akzeptierte nur wenige Aussagen, die Omega-3-Fettsäuren einen Nutzen bei der Entwicklung des Gehirns und Sehvermögens von Kleinkindern zuschreiben. Abgelehnt hat die EFSA Aussagen wie «Omega-3-Fettsäuren erhöhen die Denkfähigkeit», «Omega-3-Fettsäuren fördern die Entwicklung des Zentralnervensystems», «Omega-3-Fettsäuren fördern die Entwicklung von Augen und Gehirn».
Ernährungsexperten raten ohnehin zur Skepsis gegenüber den angeblichen Gesundmachern. David Fäh vom Institut für Präventiv- und Sozialmedizin der Uni Zürich sagt: «Bei den meisten Produkten fehlt der Nachweis für einen gesundheitlichen Nutzen.» Ernährungsberaterin Caroline Bernet von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung warnt davor, Functional Food zum Ausgleich für einen ungesunden Lebensstil zu konsumieren: «Wer sich ausgewogen ernährt, braucht solche Lebensmittel nicht.»