Am 22. August 2019 schrieb der deutsche Detailhändler Aldi seinen Geschäftspartnern ein E-Mail mit dem Titel «Das erhöhte Risiko von Zwangsarbeit in der Region Xinjiang, China». Das Schreiben sei eine «Vorsichtsmassnahme gewesen, um Lieferanten zu sensibilisieren», erklärt Aldi-Suisse-Sprecher Philippe Vetterli. Es gebe «konkrete Hinweise, dass ein erheblicher Teil der Arbeiten in Umerziehungslagern als Zwangsarbeit eingestuft werden kann».
Aldi Suisse beziehe aus der Region zwei Textilartikel. «Es gab und gibt für uns aber keinen Anlass zur Annahme, dass in dieser Fabrik Zwangsarbeit herrscht», schreibt Aldi Suisse.
Menschenrechtler sprechen von einer Million Internierten
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch geht davon aus, dass eine Million Menschen, vorwiegend muslimische Uiguren, in Xinjiang in Straflagern inhaftiert sind (siehe unten). Die Schweiz hat sich im Sommer zusammen mit 21 anderen Staaten an den Uno-Menschenrechtsrat in Genf gewandt. Die Unterzeichner forderten China auf, die Massenverhaftungen zu beenden.
saldo wollte von den Detailhändlern Coop, Denner, Ikea, Landi, Lidl und Migros wissen, ob sie Produkte oder Rohstoffe aus Xinjiang verkaufen und wie sie sicherstellen, dass keine Waren aus Zwangsarbeit in der Schweiz vertrieben werden.
Coop erklärt, man habe keine Eigenprodukte aus Xinjiang. Gemäss den Richtlinien für nachhaltige Beschaffung sei Zwangsarbeit verboten. Für Markenartikel soll man «sich direkt an die Hersteller wenden».
Die Migros-Pressestelle gibt an, dass sie keine Produkte aus der Region Xinjiang «ausfindig machen» konnte. Zwangsarbeit sei nach dem Migros-Verhaltenskodex «nicht erlaubt». Auch Denner gibt an, keine Produkte aus Xinjiang zu beziehen, ebenso Landi Schweiz.
Ikea wehrt sich gegen Vorwürfe, Zwangsarbeit zu unterstützen
«Wir distanzieren uns von Zwangsarbeit», schreibt Lidl-Sprecher Mathias Kaufmann. Es gebe «keinen Hinweis», dass Lidl problematische Produkte im Sortiment habe.
Ikea beziehe etwa 15 Prozent aller Baumwollfasern aus der Provinz Xinjiang, schreibt Sprecher Manuel Rotzinger. «Nach den jüngsten Vorwürfen haben wir die Lieferkette geprüft, ohne einen Verstoss gegen unseren Verhaltenskodex festzustellen.» Im Juli 2019 titelte das Onlinemagazin «Business Insider Deutschland»: «China betreibt Lager für Zwangsarbeiter – und Händler wie Ikea sollen in den Skandal verwickelt sein.»
Der Handel zwischen der Schweiz und China boomt
Für die Schweiz ist China der weltweit drittwichtigste Handelspartner, nach Deutschland und den USA. Die Schweiz exportierte gemäss Eidgenössischer Zollverwaltung im vergangenen Jahr Güter im Wert von 30 Milliarden Franken ins Reich der Mitte, vor allem Gold und Produkte der Pharmaindustrie. Das sind rund 10 Prozent aller Schweizer Exporte. Auf der anderen Seite importierte die Schweiz im vergangenen Jahr Güter im Wert von 14,4 Milliarden Franken aus China. Die wichtigsten Importgüter sind Mobiltelefone und Computer. Laut einem Bericht des Staatssekretariats für Wirtschaft von Anfang Jahr hat sich der bilaterale Handel zwischen der Schweiz und China in den letzten Jahren «ausserordentlich rasant und dynamischer als der grosse Rest des Schweizer Aussenhandels entwickelt».
In Lagern inhaftiert
Mit einer Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometern ist die Region Xinjiang 40 Mal so gross wie die Schweiz. Rund die Hälfte der 20 Millionen Einwohner Xinjiangs sind turkstämmige Muslime (Uiguren). China wirft ihnen Separatismus vor.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch geht davon aus, dass eine Million Menschen in Xinjiang in Straflagern inhaftiert sind, in der Mehrzahl Uiguren. Seit diesem Jahr mehren sich Berichte, wonach Gefangene Zwangsarbeit verrichten müssen. China spricht von «Bildungszentren».